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Karlsruhe zu Polizeibeleidigungen„FCK BFE“ kann strafbar sein

Wenn eine konkrete Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) geschmäht wird, kann dies als Beleidigung bestraft werden.

Das ist nicht strafbar, „FCK BFE“ schon. Linker Demonstrant in Hamburg 2020 Foto: M. Golejewski/Adora Press

FREIBURG taz | – Wer Polizeieinheiten von „überschaubarer“ Größe beleidigt, macht sich strafbar. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Göttingen. Es bekräftigte aber, dass die Polizei in ihrer Gesamtheit nicht beleidigungsfähig ist.

Im konkreten Fall hatte die linke Szene Göttingens im Oktober 2017 vor dem örtlichen Landgericht demonstriert, weil drinnen ein Prozess gegen einen bekannten Rechtsextremisten stattfand. Die Polizei war auch stark vertreten. Ein linker Demonstrant trug unter der geöffneten Jacke einen Pulli mit der Aufschrift „FCK BFE“, was von den Polizisten als „Fuck Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit“ gelesen wurde.Nachdem der Mann sich weigerte, die Jacke zu schließen, beschlagnahmte die Polizei den Pullover. Allerdings trug er unter dem Pulli ein T-Shirt, auf dem auch „FCK BFE“ stand.

Das Amtsgericht Göttingen verurteilte den Demonstranten im Juli 2018 wegen Beleidigung der BeamtInnen der Göttinger Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE) zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen (600 Euro). Die BFE sei eine „überschaubare Personengruppe“ und der Mann habe gewusst, dass die BFE an diesem Tag im Einsatz sein werde.

Der Begriff „Fuck“ sei hier als abwertende Schmähung und Formalbeleidigung zu verstehen. Dass der Mann schon öfter Konflikte mit der Göttinger BFE hatte, wertete das Gericht strafmildernd.In seiner Verfassungsbeschwerde machte der Mann geltend, er habe gar nicht speziell die Göttinger BFE gemeint, sondern alle Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten Deutschlands. Deren ruppiges Verhalten sei nämlich nicht nur in Göttingen kritikwürdig.

„Ablehnung der Polizei“ fällt unter Meinungsfreiheit

Diesen Einwand ließ das Bundesverfassungsgericht nun aber nicht gelten. Das Amtsgericht habe ausreichend begründet, dass es dem Mann vor allem um die Göttinger PolizistInnen ging.

Dafür habe vor allem gesprochen, dass er für den Fall einer Beschlagnahme des Pullis die gleiche Botschaft noch einmal auf dem T-Shirt trug – was auf die konkret handelnden PolizistInnen zielte. Auch die „Vorgeschichte“ des Mannes mit der örtlichen BFE habe dafür gesprochen, dass diese gemeint war.Die Karlsruher RichterInnen bekräftigten jedoch ihre ständigeRechtsprechung, dass häufig benutzte Aussagen wie „FCK CPS“ („fuck cops“) oder „ACAB“ („all cops are bastards“) nicht strafbar seien, weil es hier nicht um bestimmte BeamtInnen gehe, sondern um die „Institution der Polizei“.

Die englische Bezeichnung „Cops“ sei möglicherweise sogar an alle „Personen mit polizeilicher Funktion auf der Welt“ gerichtet. 2015 hatte das BVerfG entschieden, dass eine „allgemeine Ablehnung der Polizei“ von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.(Az.: 1 BvR 842/19)

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9 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Was mich wirklich beunruhigt ist, dass es mehr und mehr Hohlköppe in diesem Land gibt.

  • Na Servus

    Schade - daß sich Karlsruhe auf dieses alberne semantische Spiel der “Gruppenabgrenzung“ eingelassen hat.



    Geistig hohl - unnütz & öffnet der Willkür Thür & Thor!



    Meinungsfreiheit wird via staatliche Gesinnung torpediert.



    Der neue Geist von Cum-ex & Co. zeigt sich so.

    kurz - Das läßt erstmal tief durchatmen - 😱 -

    Na Mahlzeit

    • @Lowandorder:

      Naja was haben wir erwartet? Ich persönlich nichts anderes...



      Alles weitere erübrigt sich und lädt zu einer kleinen Liedtextzitatsammlung her in der kommune ein - wer was hat immer her damit :D

      "Es gibt viele Leute in diesem Land ohne Windschutzscheibe



      Dehnbare Knochen in ihren Hälsen, schreiben nur mit Kreide



      Wölfe im Wolfspelz und auch Schweine im Bullenkleide



      Die Welt hat ihnen viel abverlangt ihr Job is ja auch nur ein Leiden"



      ~ Berlin Boom Orchestra

      "Kann nicht glauben was er sieht als hätt er Pfeffer in den Augen



      Wie ein Demonstrant - wo ist die Verhältnismäßigkeit?



      Er zweifelt an der Richtigkeit von Polizeigewalt



      Er erkennt die Parallelen zu sich selbst und kriegt bedenken



      Bisher hat er nur pariert, weil andere ihn lenkten



      Menschen helfen, Donuts fressen, Schurken fangen, die Gesetzte brechen



      Überzeugt davon zu helfen auf der Seite der Gerechten



      Respression gegen Menschen in Not - was er schützt



      Ist die Sorte Mensch die der Gesellschaft etwas nützt



      Er kann seine Funktion nicht zu ende reflektier'n, macht deshalb weiter



      Alles andere würde ja bedeuten, dass sein ganzes Leben falsch war ... dammit!

      Niemand muss Bulle bleiben.."



      ~Torkel T

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Na endlich ist eine Schmähung eine Beleidigung. Man stelle sich vor die Taz würde beleidigt im Sinne von ATJAB(Alle TAZ- Journalisten sind Bastarde ) was strafbar wäre, während ATAB ( Alle Journalisten sind Bastarde) straffrei ist.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      Hab die Begründung - hatte echt besseres zu tun - noch nicht gelesen.



      Glaube aber in der Tat - daß es auf solchen geistigen Sockenschuß rausläuft



      Unsere karlsruher Primadonnen ham scheint’s schlicht nicht auf dem Schirm - welche Büchse der Pandora - abgrenzbare Gruppen gibt’s wie Sand am Meer - sie da aufgemacht haben.



      Meinungs&Demofreiheit als Unterpfand unserer Demokratie - so Karlsruhe in std. Rspr. - BISHER! - hat in dem Laden wohl nicht mehr so gute Karten.

      Na Mahlzeit - 🤑 -

      • @Lowandorder:

        In Abgrenzung zu anderen Fällen wird ausgeführt Rz 10: "In diesen Fällen gab es keine Vorgeschichte mit einer bestimmten Polizeieinheit und war ein planvolles, bestimmte Beamtinnen und Beamte herabsetzendes Vorgehen nicht aus den Feststellungen erkennbar." Es muss also nicht zwangsläufig rückgeschlossen werden, dass jede Herabsetzung abgrenzbarer Gruppen strafbar ist. Was aber natürlich auch problematisch ist. Wäre ich, ohne diese Vorgeschichte, mit genau dem gleichen Shirt dann straffrei geblieben, würde dieser Ergenis doch auch seltsam anmuten.

  • Überempfindlich...

  • Die Objektivität der Berichterstattung findet seine Grenze in der Darstellung des Urteils - mir scheint, dass selbst der Träger den eigenen Spruch nicht wörtlich gemeint hat und haben kann und er daher doch eine freie Meinungsäußerung sein könnte...

    • @Gottfried Scherer:

      Also ohne jetzt das Urteil im Ergenis zu würdigen, weshalb kann er es nicht wörtlich gemeint haben?