Kanzlerduell im Fernsehen: Mr. Right
Könnte Stefan Raab die Debatte zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück im TV moderieren? Ja. Wenn er sich mehr trauen würde.
Er will sie, aber er kriegt sie nicht: Stefan Raab verfehlt die absolute Mehrheit. Und das ausgerechnet bei den Leuten, bei denen er mit seinem neuen Polittalk „Absolute Mehrheit“ sonntagnachts auf Pro7 angeblich so punktet: den jungen, politikfernen PrivatsenderzuschauerInnen. Aber 39 Prozent, die laut einer Emnid-Umfrage sagen, Raab kann das Kanzlerduell im Herbst moderieren, sind nicht mal dicht dran an der absoluten Mehrheit. Und wenn sogar mehr als die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen – Raabs spezieller Zielgruppe – meinen, der Entertainer sollte mal lieber zu Hause bleiben, dann ist das der Stoff, aus dem Vorabendserien sind.
Aber kann Raab nun Kanzlerduell oder nicht? Er könnte. Wenn er sich nur richtig traute. Aber solange er seinen Polittalk bespielt wie seinen Song „Wadde hadde dudde da“, wird das nichts mit dem Aufmischen der drögen Debatte. Diesmal dürfen sich Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) kurz vor der Wahl im September noch einmal gegenseitig ausführlich erklären, was die andere Seite alles so falsch macht und warum sie es sowieso nicht bringt.
Fragen und Antworten sind vorhersehbar, im Grunde könnten die Journalisten – von ARD und ZDF bis hin zu Pro7 und Sat1 – das Duell vorher aufzeichnen: von ihnen selbst gespielt und ohne die beiden KandidatInnen.
Braucht das jemand? Macht das Spaß? Ist das unterhaltsam? Alles nicht. Wahrscheinlich hat sich auch Edmund Stoiber vor dem Fernseher immer furchtbar gelangweilt, wenn er Merkel, Schröder oder sonst wem beim Schlagabtausch zusah. Und hat daher jetzt Stefan Raab ins Rennen geschickt als Kandidaten für das Kandidatenduellkompetenzteam.
Der CSU-Ehrenvorsitzende hat zwar Raab selbst jedes Mal einen Korb gegeben, wenn der ihn früher fragte, ob er nicht zu ihm ins Studio kommen wolle. Aber jetzt, sagt Stoiber, sei das alles ganz anders. Jetzt würde er kommen und das würde sicher auch keine „Klamaukveranstaltung“. Aber Raab wird mit Klamauk verbunden. Und Politik mit Ernst. Beides zusammen geht in Deutschland nicht. Politik und Unterhaltung sind hierzulande zwei Paar Schuhe. Was nicht knochentrocken daherkommt, kann nicht seriös sein. Und was lustig ist, muss automatisch doof sein. Oder Kabarett.
Gibt es denn nichts dazwischen? Und niemanden, der alles kann: Politik und Tiefsinn, Humor und Scharfzüngigkeit?
Doch, gibt es: Stefan Raab. Am Sonntagabend hat er das zwischendrin immer wieder kurz gezeigt. Für die zweite Runde seiner „Absoluten Mehrheit“ hatte er nur Frauen ins Studio geholt, Ende November waren Männer da. In der Ladies Night ging es um Frauenquote für Führungskräfte, Tugendhaftigkeit von PolitikerInnen und die rasante Mietpreisentwicklung. Raab war gut vorbereitet, er wusste sogar mit den sogenannten Goldröcken etwas anzufangen, jenen Frauen, die in Norwegen zuhauf die Aufsichtsratsposten besetzen, seit dort die Quote eingeführt wurde. So was wissen gewöhnlich nur Leute, die sich mit diesem Thema beschäftigen müssen.
Aber das verpuffte am Sonntag. Raab holte aus der Frauenrunde nicht das raus, was drin gewesen wäre. Die Frauen – von CSU bis Linkspartei – waren kompetent, fröhlich, bereit für eine gute Show. Die hätten einiges mitgemacht. Als Raab aber die FDP-Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg mit dem Satz begrüßte: „Sie haben in Ihrer Partei Männer wie Kubicki und Brüderle … Frau Teuteberg, Sie sehen heute umwerfend aus …“, dann ist das auch nicht witziger als das, was Brüderle drauf hat. Klamauk, geistige Ödnis. Macht keinen Spaß. Ist auch nicht unterhaltsam. Braucht niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance