Kandidatin für Tory-Spitze: Streitbar und zielstrebig
Kemi Badenoch will die britischen Konservativen führen. Manche vergleichen die Tochter eines nigerianischen Arztes schon mit Margaret Thatcher.
Olukemi kam 1980 in London zur Welt, weil ihre Mutter wegen befürchteter Komplikationen bei der Geburt in Nigeria dorthin zu einem Spezialisten geschickt wurde. Erst 1996 wanderte sie eigenständig nach Großbritannien ein – aufgrund ihres Geburtsortes mit einem britischen Pass.
Eigentlich hatte die begabte nigerianische Oberschülerin ein Stipendium für die USA in Aussicht, aber das konnte die Familie sich nicht leisten. Also London: „Papa gab mehrere Monatsgehälter für mein Flugticket aus“, erinnerte sie sich später. „Wir gingen zum Reisebüro mit seinen Ersparnissen in einer Plastiktüte. Als er bezahlt hatte, waren 100 Pfund übrig, und er gab es mir, um es nach England mitzunehmen.“
Solche Erfahrungen prägen fürs Leben. Im Ingenieursstudium an der Universität Sussex ärgerte sie sich über linke weiße Aktivisten, die Afrika besser zu kennen meinten. Später, als Computerfachfrau im Bankwesen, ärgerte sie sich über weiße Promis im Umfeld von Tony Blair wie Bob Geldof, die lautstark Hilfe für Afrika forderten, aber vor allem sich selbst in Szene setzten. Unmittelbar nach Geldofs Live8-Konzerten 2005 trat sie den Konservativen bei und wurde vom jungen neuen Parteichef David Cameron gefördert. Dann heiratete sie den konservativen Stadtrat Hamish Badenoch.
Seit 2017 sitzt nun also Kemi Badenoch im britischen Unterhaus, für einen Wahlkreis in Essex. Regierungsmitglied war sie ab 2019, zuletzt parallel als Handelsministerin und Staatsministerin für Gleichberechtigung.
Wortführerin des rechten Flügels
Die Schwarze mit Dreadlocks ist eine Wortführerin des rechten Tory-Flügels, so wie viele Konservative mit Migrationshintergrund, die nicht auf den Staat setzen, sondern auf die Eigeninitiative von Familien. Politisch positioniert sich Badenoch eloquent gegen „woke“ Identitätspolitik und gegen jedes Ansinnen, Menschen korrektes Denken vorzuschreiben. Sie auf eigene Inhalte festzunageln ist hingegen schwierig.
Die Tories hätten ihre Wahlniederlage verdient, schreibt sie in ihrem Antrittstext zur Kandidatur um die Parteiführung: „Das Land wird uns nicht wählen, wenn wir nicht wissen, wer wir sind und was wir wollen“. Aber was sie will, sagt sie nicht: „Ich werde nicht mit Versprechen beginnen, sondern mit Zuhören.“ Wichtig sei aber eine Abkehr vom vorherrschenden Liberalismus, der zu „freudloser Dekadenz“ mutiert sei.
Wichtiger als inhaltliche Aussagen ist für Badenochs Fans ihr Auftreten. Sie eckt an und macht das geradezu zu ihrem Markenzeichen. Sie musste sich immer durchboxen. Manche trauen ihr wenig zu und halten sie für eine Marionette weißer Männer hinter den Tory-Kulissen. Aber sie ist seit Monaten die Nummer eins bei den Beliebtheitsumfragen unter Parteimitgliedern. Manche Beobachter vergleichen ihren Stil mit Margaret Thatcher – bei britischen Rechten das höchste denkbare Kompliment.
Jetzt beginnt das parteiinterne Gerangel, samt Schaulaufen auf dem Tory-Parteitag im Oktober. Am 2. November wird bekannt, ob Kemi Badenochs Karriere beendet ist – oder erst richtig beginnt.
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