Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz: Brav in Lübeck
Artig und fast ohne Seitenhiebe antworten sich Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn durch die erste CDU-Regionalkonferenz.
Etwas vollmundig war das vielleicht, auch wenn Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn unisono „Erneuerung“ und einen „Neustart“ beschworen und mehr innerparteiliche Demokratie und Diskussionen einforderten. „Die Mitmachpartei“ stellt Spahn sich vor, eine Willensbildung „von der Partei zur Regierung und nicht umgekehrt“ will Kramp-Karrenbauer wieder herstellen, und Merz schwärmt von „einer Volkspartei der Mitte für Liberale und Wertkonservative“, die „keine unkontrollierte Einwanderung“ duldet, die innere und äußere Sicherheit „als Markenkern der CDU“ ernst nimmt und so ganz nebenbei auch noch „die AfD halbiert“.
Und alle drei reden immer wieder von „Freiheit“, die es zu verteidigen gelte: gegen Linke und Gleichmacher, gegen Populisten und Ideologen, gegen Islamisten und Terroristen. Da gibt es viel zu klatschen für ChristdemokratInnen – vor allem pro Merz, viel auch für Kramp-Karrenbauer, deutlich weniger für Spahn, sofern das ein Gradmesser sein kann. Offenbar schon, denn pünktlich zum Kurzauftritt in der einstigen Königin aller Hansestädte wurde der neue ARD-Deutschlandtrend bekannt. Eine Befragung der CDU-Anhänger Anfang der Woche ergab demnach, dass 46 Prozent der Befragten sich für Kramp-Karrenbauer aussprechen, 31 Prozent für Merz und nur zwölf Prozent für Spahn.
Und es gab wenig zu mäkeln in der schmucklosen, unverputzten Werkhalle, die seit zwei Jahren zu einem Kulturzentrum umgebaut wird. Eher galt es, mit ausgesuchter Höflichkeit und in moderater Tonlage harmlose Fragen an die Vorsitzenden in spe zu stellen, die diese ebenso artig und fast ohne Seitenhiebe auf die MitbewerberInnen beantworteten.
Um „den Mittelstand“ sorgten sich die Fragenden, um die „überbordende Bürokratie“, um Steuererleichterungen und die noch immer nicht erfolgte Abschaffung des Soli oder auch um die Frage, ob die Digitalisierung „die Fliehkräfte in Familie und Gesellschaft“ verstärke – Steilvorlagen für alle drei, Antworten zu geben, die sich nur in Nuancen voneinander unterscheiden.
Auf eine Richtungswahl um den Parteivorsitz am 7. Dezember auf dem Bundesparteitag in Hamburg weist zumindest an diesem Abend in Lübeck kaum etwas hin. Denn so einfach geht es dann doch nicht in der Union, nach 18 Merkeljahren voller wegmoderierter Konflikte Streitkultur zu entwickeln, zumindest wieder sprechfähig zu werden. Es war ein erster Ansatz da ganz oben im Norden, und für manche ChristdemokratInnen war das schon sehr viel. „Wir können stolz sein auf diesen Abend“, befand der frühere schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Thomas Stritzl. Die CDU sei zurzeit „die interessanteste Partei Deutschlands“, hatte schon vor der Konferenz Mecklenburg-Vorpommerns Parteichef Vincent Kokert behauptet. Das aber muss man nach diesem Abend nicht zwingend so sehen.
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