Kampf um Apothekenabschlag: Wie die Kesselflicker

Wem gehen 320 Millionen Euro verloren? Apotheker und Kassen kämpfen seit Jahren um den Apothekenabschlag. Jetzt befasst sich das Sozialgericht Berlin damit.

Wie viel müssen die Apotheken an die Kassen abgeben im Sinne des solidarischen Gesundheitssystems? Bild: ap

BERLIN taz | Sie haben sich jahrelang gestritten wie die Kesselflicker, der Apothekerverband und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Immer um die Frage, wem wie viel Geld zustehe vom Geschäft mit den verschreibungspflichtigen Medikamenten, die die 70 Millionen gesetzlich Versicherten jedes Jahr verbrauchen.

Danach haben sie eine unabhängige Schiedsstelle angerufen. Deren Spruch bedeutete, dass die Kassen ab 2009 jährlich 320 Millionen Euro weniger von den Apothekern bekämen als bisher. Flugs klagte der GKV-Spitzenverband gegen die Schiedsstelle. Seit Dienstag befasst sich nun das Sozialgericht in Berlin mit dem Streit, den, wie der Richter Gunter Rudnik tadelte, "der Gesetzgeber den beiden Parteien selbst zu lösen aufgegeben hat".

Es geht um die Frage, was ein angemessener Apothekenabschlag sei: Für jede rezeptpflichtige Medikamentenpackung, die die Apotheker an ihre Kunden abgeben, bekommen sie von den Krankenkassen pauschal 8,10 Euro plus drei Prozent des jeweiligen Einkaufspreises. Das ist gesetzlich so festgelegt, und daraus finanzieren die Apotheker sich, ihre BMWs und Mercedes, ihre Angestellten, ihre Immobilien usw.

Weil aber die Apotheker nicht nur Unternehmer, sondern Teil des - solidarischen - Gesundheitssystems sind, müssen sie sich wiederum mit einem Abschlag, ebenfalls erhoben pro Packung, an der Finanzierung des Krankenkassensystems beteiligen. Gesetzlich wurde dieser Betrag vor ein paar Jahren auf 2,30 Euro festgesetzt, sprich: Von den 8,10 Euro ziehen die Kassen wieder 2,30 Euro ab. Ab 2009 sollten sie diesen Abschlag selbst aushandeln, einzige Vorgabe: "leistungsgerecht" solle er sein.

Der Schiedsspruch unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bundesversicherungsamts, Rainer Daubenbüchel, sah vor: Statt 2,30 Euro sollen die Apotheker nur noch 1,75 Euro pro Medikament abgeben. Zu berücksichtigen, so Daubenbüchel vor Gericht, seien die gestiegenen Personal- und Sachkosten der Apotheker, geschuldet dem wachsenden Beratungsbedarf der Patienten. Es wurden dann Berechnungen der Schiedsstelle, der Apotheker sowie der Kassen gegenseitig heftigst bestritten.

Bis der Richter Rudnik seufzte, er erkenne hier "das übliche Problem mit Statistiken", und seine eigene aus der Tasche zog: Danach waren die Umsatzsteigerungen der Apotheker 2009 weitaus höher als die Kostensteigerungen. "Das", so Rudnik, "wirft die Frage auf, ob die Absenkung überhaupt leistungsgerecht war." Ein Urteil wird im Mai erwartet. Sollte das Gericht den Kassen folgen, müsste die Schiedsstelle neu entscheiden.

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