Kampf gegen die Holzmafia in Brasilien: „Der Wald ist unser Zuhause“
Brasilien will die Regenwaldabholzung bis 2030 stoppen: Grund für Rinderfarmer und Holzmafia, noch schneller zu roden. Nun sollen GPS-Chips helfen.
Ka‘apor heißt: „Bewohner des Waldes“. 2.000 Ka‘apor gibt es noch, ihr Land ist sechs Mal so groß wie Berlin: 530.000 Hektar. Das macht es so schwer kontrollierbar. Noch nie fühlten sich die Ka‘apor in ihrer 300-jährigen Geschichte so bedroht. Dabei schützt ihr behutsamer Umgang mit der Natur auch das Klima, denn der Regenwald bindet viel Kohlendioxid und reguliert das Weltklima.
Die Indianer zu erreichen ist beschwerlich, erst nach langen Diskussionen willigten sie ein, die Besucher zu empfangen – das Misstrauen gegen Weiße sitzt tief, sie fühlen sich vor allem vom brasilianischen Staat im Stich gelassen. Im April wurde einer der Anführer, Eusébio, ermordet, offiziell wurde es als Raubüberfall deklariert. Eusébio ist der vierte tote Ka‘apor seit 2011. Zudem haben sie 15 Todesdrohungen registriert. Daher sind die Namen hier nicht ihre echten; und die Anführer dürfen nicht auf Fotos erkennbar sein.
Von São Luis, der Hauptstadt des ärmsten Bundesstaates Maranhão, geht es acht Stunden Richtung Amazonasgebiet. Zum Schluss schlagen die Äste gegen den Jeep, es wackelt, tiefer Busch. Und dann eine freie Fläche: Gerodetes Land, zwei Lagerfeuer glimmen in der Nacht, Hunde kommen bellend angerannt. Rund acht Prozent der Fläche im seit 1982 unter Schutz stehenden Ka‘apor-Land wurden schon gerodet. Hier wächst auch der Ipé, dessen Holz bis zu 1.300 Euro je Kubikmeter bringt.
Klimaschutz oder Profit
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff will die illegale Abholzung erst bis 2030 auf null zurückfahren. „Dies ist ein realer Anreiz für die Holzmafia und die Rinderfarmer, ganz schonungslos weiter den Wald zu roden“, meint der Amazonas-Koordinator von Greenpeace, Oliver Salge.
Es geht hier auch um die große Frage, ob Klimaschutz wichtiger ist oder Profit. Die Ka‘apor klagen, Polizei und Bürgermeister der ihr Gebiet umschließenden Gemeinden würden fragwürdige Landtitel akzeptieren und nichts gegen die illegale Abholzung machen. Den Kontakt zur Indianer-Schutzbehörde (Funai) haben sie weitgehend abgebrochen, was es aber schwerer macht, sich zu versorgen und ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten.
Um vier Uhr morgens geht es los, rund 20 Mann, die meisten tragen den Cocar, den Federschmuck mit blauen, roten und gelben Vogelfedern. Sie haben sich schwarze Striche ins Gesicht gemalt. Sie sind auf Mission. Der gefällte Fava-Baum soll ihr Land nicht verlassen und zu Geld gemacht werden. Notfalls wird er verbrannt. So wie schon zehn Lastwagen von gewaltsam vertriebenen Holzfällern. „Mein Vater ist ermordet worden, aber wir führen diese Mission zum Schutz des Waldes fort“, sagt der Sohn des ermordeten Eusébios.
Die Holzfäller sind schneller
Bei einem verbrannten Holz-Schlepper greifen die Ka‘apor Maturiá (34) und Tadiun (22) zur Asche, halten sich einen Spiegel vor das Gesicht und malen sich damit komplett schwarz an. „Das gibt uns neue Energie und Kampfesmut“, sagt Maturiá. Aber weil es den Indianern an Fahrzeugen mangelt, sind die Holzfäller meist schneller und schlagen irgendwo neue Schneisen.
Wie verzweifelt der Stamm ist, zeigt ein Hilferuf ausgerechnet an die Weißen, an die Umweltschützer von Greenpeace. Die haben für 22.000 Reais (5.200 Euro) Kameras und zwei Laptops zur Verfügung gestellt. Die Einweisung in die den Ka‘apor völlig fremde Technik gestaltet sich aber schwierig, das Auslesen der Kamerachips hat seine Tücken. Die Kameras werden an Routen der Holzdiebe angebracht. Statt Lastwagen zu verbrennen, sollen die Ka‘apor heimlich GPS-Chips in den Lkw installieren, um den Weg des Holzes verfolgen zu können.
Der Konflikt mag im globalen Maßstab unwichtig erscheinen. Aber er ist ein Pars pro Toto – in geschützten Waldzonen Brasiliens könnten angesichts der Wirtschaftskrise bestehende Verbote für die Holz-, Agrar- und Rohstoffindustrie aufgeweicht werden. Landesweit wurde seit 1988 schon eine Regenwaldfläche vernichtet, die der doppelten Größe Deutschlands entspricht – und alleine in den vergangenen zwölf Monaten eine Fläche fast so groß wie das ganze Ka‘apor-Gebiet.
Gelebte Antithese zum Kapitalismus
„Wir wollen den Druck auf die Regierung erhöhen, dass sie nicht nur hier, sondern überall gegen illegale Holzfäller vorgeht“, sagt Tica Mamani vom Greenpeace-Amazonasprogramm (.doc als Download). Die Ka‘apor haben sich zur besseren Observierung ihres Gebiets aus zehn Dörfern in 18 kleinere Dörfer aufgeteilt. Hier in der neuen Siedlung Jaxipuxirenda gibt es keinen Strom, keine Toilette, geschlafen wird in der Hängematte. In selbstgestalteten Schulheften werden alle Bäume, Pflanzen und Tiere in der eigenen Sprache gelernt, viele Stammesangehörige können kein Portugiesisch.
Weil in den 80er-Jahren nach einer Masernepidemie viele taubstumme Kinder geboren wurden, haben sie zudem eine eigene Zeichensprache entwickelt. Es gibt Polygamie, die Männer haben nach Möglichkeit zwei Schwestern als Ehefrauen. Alle Entscheidungen werden von einem Rat getroffen. Alkohol ist verboten, privaten Besitz gibt es quasi nicht. Sozusagen die gelebte Antithese zum Kapitalismus.
Zum Schluss noch einmal ein Treffen mit Miraté (29). Gerade habe es eine neue Todesdrohung gegeben, sagt er. “Wir haben keine Angst. Aber warum werden unsere nicht geschützt?“ Die Ka‘apor könnten halt schlecht woanders hin, sagt er. „Der Wald ist unser Zuhause.“
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