Kampf gegen Corona-Epidemie: Vorsichtige Lockerungen
Geschäfte dürfen unter Auflagen öffnen, der Schulbetrieb startet nur eingeschränkt: Bund und Länder bleiben weiterhin vorsichtig.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder diskutierten am Mittwoch in einer mit Spannung erwarteten Schaltkonferenz das weitere Vorgehen in der Coronakrise. Merkel sprach danach am Abend von einem „zerbrechlichen Zwischenerfolg“ bei der Bekämpfung des Virus. Jenes verbreitet sich deutlich langsamer als zu Beginn der Krise.
Es gebe, so Merkel weiter, noch nicht viel Spielraum für Änderungen oder ein Vorpreschen, auch wenn eine gute Absicht dahinterstecke. Es gebe noch keinen Impfstoff. Man müsse „äußerste Vorsicht“ walten lassen. Die Botschaft der Kanzlerin war nicht misszuverstehen: Von einer Normalisierung des Lebens kann im Kampf gegen die Pandemie keine Rede sein, noch lange nicht.
Aber ein bisschen was bewegt sich doch. Bund und Länder verlängern die strengen Kontaktbeschränkungen bis zum 3. Mai, lassen aber erste Lockerungen zu. Shoppen ist in vielen Läden schon bald wieder möglich, auch dürfen manche Kinder ab Anfang Mai wieder in die Schule. Eine Pflicht, Masken zu tragen, wird es auch weiterhin nicht geben – aber doch eine dringliche Aufforderung, dies zu tun.
Neun Seiten mit Argumenten
Der neun Seiten lange schriftliche Beschluss der Runde begründete das tastende Vorgehen ausführlich. „Wir werden in kleinen Schritten daran arbeiten, das öffentliche Leben wieder zu beginnen“, hieß es darin. Der Maßstab bleibe, dass die Infektionsdynamik so moderat bleiben müsse, dass das Gesundheitswesen „jedem Infizierten die bestmögliche Behandlung ermöglichen kann“.
Kurz: Der medizinische Schutz der Bevölkerung hat für die Regierung Priorität. „Wir setzen weiter auf Vorsicht“, sagte Söder nach den Beratungen. Dass die Bundesländer die gemeinsamen Beschlüsse jeweils etwas unterschiedlich umsetzen, ist wahrscheinlich. Der Süden Deutschlands sei stärker von der Pandemie betroffen, sagte Söder. Daher werde Bayern auch „etwas zeitversetzt“ agieren.
Die beschlossenen Liberalisierungen werden das öffentliche Leben ändern: Bund und Länder wollen zum Beispiel ab Montag die Öffnung von Geschäften bis zu einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern ermöglichen, erklärte Merkel. Aber unter Auflagen, etwa zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts oder zur Vermeidung von Warteschlangen. Unabhängig von der Verkaufsfläche sollen auch Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen wieder öffnen dürfen. Supermärkte oder Drogerien waren in der Krise sowieso durchgehend geöffnet.
Die seit dem 22. März geltenden harten Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus werden dagegen bis zum 3. Mai verlängert. Damals einigten sich Bund und Länder darauf, dass in der Öffentlichkeit ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten ist – außer zu Angehörigen des eigenen Hausstands. Außerdem sind seither Treffen von mehr als zwei Personen verboten.
Eingeschränkter Schulbetrieb
„Wir müssen uns alle bewusst machen, dass wir die Epidemie durch die Verlangsamung der Infektionsketten der letzten Wochen nicht bewältigt haben“, hieß es in dem Beschluss. Die Epidemie dauere an. Deshalb könne man nicht zum gewohnten Leben zurückkehren. „Sondern wir müssen lernen, wie wir für eine längere Zeit mit der Epidemie leben können.“
Bei Schulen und Kitas, einem zuletzt viel diskutierten Punkt, haben sich Merkel und die Ministerpräsidenten auf ein vorsichtiges Vorgehen verständigt. Der Schulbetrieb soll am 4. Mai eingeschränkt starten, beginnend mit den Abschlussklassen, den Klassen, die im kommenden Jahr Prüfungen ablegen und den obersten Grundschulklassen. Anstehende Prüfungen sind bereits vorher möglich.
Die Kultusministerkonferenz soll laut der Beschlussvorlage bis zum 29. April ein Konzept für weitere Schritte vorlegen, wie der Unterricht unter besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen wieder aufgenommen werden kann. „Jede Schule braucht einen Hygieneplan“, hieß es in dem Beschluss. Die meisten Eltern und Kinder müssen sich also weiter in Geduld üben.
Merkel bat sie ausdrücklich um Verständnis. Es gehe um kleinere Gruppen. Man brauche Konzepte für Pausen und Schulbusse, sagte sie. „Es wird also ein hoher logistischer Aufwand zu betreiben sein.“
Keine Fußballspiele
Großveranstaltungen werden wegen der Pandemie bis zum 31. August grundsätzlich untersagt – auch Fußballspiele sind davon betroffen. Konkrete Regelungen, etwa zur Größe der Veranstaltungen, sollen durch die Länder getroffen werden. Außerdem empfehlen Bund und Länder „dringend“ das Tragen von Alltagsmasken im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel. Eine generelle bundesweite Maskenpflicht gibt es also weiterhin nicht.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) entschied unterdessen, die Grenzkontrollen zu den fünf Nachbarstaaten Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark sowie für die Luftgrenze zu Italien und Spanien bis zum 4. Mai zu verlängern. „So sollen die Infektionsgefahren durch das Coronavirus weiter erfolgreich eingedämmt werden, indem Infektionsketten unterbrochen werden“, teilte das Innenministerium mit.
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