Kampagne gegen Hate Speech: Hasskommentare sind #NichtEgal
YouTube will mit Workshops an Schulen junge Menschen für das Thema Hassrede im Netz sensibilisieren. 21 Stars der Plattform machen mit.
Das Google-Tochterunternehmen stellt dabei vor allem die Finanzierung und die Plattform zur Verfügung, die Schulworkshops werden von medienpädagogischen Partnern durchgeführt. Unter dem Hashtag #NichtEgal werden dabei die Videos der verschiedenen Produzent*innen gesammelt. Mit der Initiative sollen Jugendliche ermutigt werden, ihre eigene Meinung zu vertreten und dabei respektvoll zu bleiben. An den Workshops nehmen auch die YouTuber teil, die gerade unter Schüler*innen eine riesige Fangemeinde haben.
„An den Schulen schaffen die YouTube-Stars etwas, was wir als Pädagogen überhaupt nicht erreichen können“, erklärt Philipp Behar-Kremer von der medienpädagogischen Organisation Digitale Helden, der an der Durchführung der Workshops beteiligt ist.
Einer dieser Stars ist Emrah, dessen Kanal über 2,3 Millionen Menschen abonniert haben. Auf der Straße wird er ständig angesprochen. Bei der Vorstellung der Kampagne soll man seine Fragen erst mal dem mitgebrachten Manager vortragen. Er erklärt sich dann aber doch bereit, direkt zu antworten: „Ich finde, dass erfolgreiche YouTuber eine Verantwortung haben, was Hate Speech im Netz angeht. Wenn auf der Plattform prominent Hass verbreitet wird, würde ich mich öffentlich dagegen aussprechen.“
Aufklärung und Abwertung
Hass hat auch Lisa Sophie Laurent abbekommen, die durch ihr Interview mit Angela Merkel im letzten Bundestagswahlkampf eine breite Öffentlichkeit erreichte. Wenn sie über feministische Themen spricht, erhält sie besonders viele Hasskommentare, erzählt sie im Gespräch mit der taz. „Da sind dann auch schon mal Mord- und Vergewaltigungsdrohungen dabei.“
Hauptsächlich positives Feedback habe sie allerdings für ihre Aufklärungsvideos über Bisexualität und ihr bisexuelles Coming-Out erhalten, sagt sie. „Viele haben sich gefreut, weil das in der Schule kein Thema ist. Und einige konnte ich sogar offenbar ermutigen, sich selbst zu outen oder intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Da habe ich durchaus auch eine aufklärende Funktion.“ Allerdings habe es auch einige „dumme und verletzende Nachrichten“ gegeben. So wurde beispielsweise behauptet, sie wolle sich mit dem Thema wichtig machen oder ihre Sexualität wurde als „Trend“ heruntergespielt.
Erfahrungen mit Abwertung ihrer Inhalte hat auch die Beauty- und Modevloggerin Diana zur Löwen gemacht. In einem Video über Sexismus im Netz beklagt sie allerdings auch, dass viele YouTuberinnen zu Unrecht als sexistisch gebrandmarkt würden. Darauf angesprochen, erklärt sie der taz, dass sie den Vorwurf unfair findet, dass Beauty-Youtuberinnen die Verfestigung von limitierenden Geschlechterrollen vorgeworfen wird.
„Natürlich spreche ich mit meinen Videos hauptsächlich junge Frauen an, aber davon dürfen sich natürlich gerne auch Jungs angesprochen fühlen.“ Außerdem sei es falsch, dass sie sich nicht mit relevanten Fragen beschäftigen würde. So spricht die BWL-Studentin in ihrem Podcast „Erwachsenwerden“ auch über „Freundschaft, Vertrauen, Zukunftsängste und auch Politik, Wirtschaft, die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen.“
YouTube als Schrebergartenkolonie
Der Musik-YouTuber NiksDa vergleicht YouTube mit einer Schrebergartenkolonie. „Jeder hat seinen eigenen Garten und manchmal wundert man sich darüber, was der Nachbar so rumbrüllt.“ So gab es im letzten Jahr einen Skandal, der auch über die Community hinaus bekannt wurde, als der erfolgreiche Videokünstler Mert in einem Video Schwule beleidigte.
„Ich habe dann einen Song mit Gegenargumenten veröffentlicht, quasi einen Disstrack gegen Mert.“ Die Einnahmen des Songs hat er türkischen LGBT-Gruppen zur Verfügung gestellt. Danach sei auch er Hass ausgesetzt gewesen und findet #NichtEgal daher umso wichtiger.
Einigen der teilnehmenden YouTuber geht es sicherlich um die Sache. Gerade denen, die selbst in der Vergangenheit negative Erfahrungen Hassrede gemacht haben, ist das Thema persönlich wichtig und das ist ihnen auch anzumerken. YouTube selbst steht immer wieder in der Kritik, nicht entschieden genug gegen Hassinhalte vorzugehen. Dem Unternehmen geht es also natürlich auch ums eigene Image.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung