piwik no script img

Kampagne gegen Hate SpeechHasskommentare sind #NichtEgal

YouTube will mit Workshops an Schulen junge Menschen für das Thema Hassrede im Netz sensibilisieren. 21 Stars der Plattform machen mit.

Gegen Hass im Netz und für mehr Respekt erneuert YouTube die Kampagne #NichtEgal Foto: dpa

Berlin taz | YouTube hat die zweite Runde der Kampagne #NichtEgal gestartet. Gemeinsam mit 21 erfolgreichen, jungen Videoproduzent*innen ruft das Videoportal zu einer respektvolleren Debattenkultur im Netz und zum Einsatz gegen Hassrede auf. Neben Videos zum Thema Hate Speech findet die Initiative vor allem offline statt: An über 60 Schulen in allen Bundesländern sollen über 1.500 MentorInnen ausgebildet werden, ihr Wissen soll anschließend an über 10.000 Schüler*innen weitergegeben werden.

Das Google-Tochterunternehmen stellt dabei vor allem die Finanzierung und die Plattform zur Verfügung, die Schulworkshops werden von medienpädagogischen Partnern durchgeführt. Unter dem Hashtag #NichtEgal werden dabei die Videos der verschiedenen Produzent*innen gesammelt. Mit der Initiative sollen Jugendliche ermutigt werden, ihre eigene Meinung zu vertreten und dabei respektvoll zu bleiben. An den Workshops nehmen auch die YouTuber teil, die gerade unter Schüler*innen eine riesige Fangemeinde haben.

„An den Schulen schaffen die YouTube-Stars etwas, was wir als Pädagogen überhaupt nicht erreichen können“, erklärt Philipp Behar-Kremer von der medienpädagogischen Organisation Digitale Helden, der an der Durchführung der Workshops beteiligt ist.

Einer dieser Stars ist Emrah, dessen Kanal über 2,3 Millionen Menschen abonniert haben. Auf der Straße wird er ständig angesprochen. Bei der Vorstellung der Kampagne soll man seine Fragen erst mal dem mitgebrachten Manager vortragen. Er erklärt sich dann aber doch bereit, direkt zu antworten: „Ich finde, dass erfolgreiche YouTuber eine Verantwortung haben, was Hate Speech im Netz angeht. Wenn auf der Plattform prominent Hass verbreitet wird, würde ich mich öffentlich dagegen aussprechen.“

Aufklärung und Abwertung

Hass hat auch Lisa Sophie Laurent abbekommen, die durch ihr Interview mit Angela Merkel im letzten Bundestagswahlkampf eine breite Öffentlichkeit erreichte. Wenn sie über feministische Themen spricht, erhält sie besonders viele Hasskommentare, erzählt sie im Gespräch mit der taz. „Da sind dann auch schon mal Mord- und Vergewaltigungsdrohungen dabei.“

Hauptsächlich positives Feedback habe sie allerdings für ihre Aufklärungsvideos über Bisexualität und ihr bisexuelles Coming-Out erhalten, sagt sie. „Viele haben sich gefreut, weil das in der Schule kein Thema ist. Und einige konnte ich sogar offenbar ermutigen, sich selbst zu outen oder intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Da habe ich durchaus auch eine aufklärende Funktion.“ Allerdings habe es auch einige „dumme und verletzende Nachrichten“ gegeben. So wurde beispielsweise behauptet, sie wolle sich mit dem Thema wichtig machen oder ihre Sexualität wurde als „Trend“ heruntergespielt.

Erfahrungen mit Abwertung ihrer Inhalte hat auch die Beauty- und Modevloggerin Diana zur Löwen gemacht. In einem Video über Sexismus im Netz beklagt sie allerdings auch, dass viele YouTuberinnen zu Unrecht als sexistisch gebrandmarkt würden. Darauf angesprochen, erklärt sie der taz, dass sie den Vorwurf unfair findet, dass Beauty-Youtuberinnen die Verfestigung von limitierenden Geschlechterrollen vorgeworfen wird.

„Natürlich spreche ich mit meinen Videos hauptsächlich junge Frauen an, aber davon dürfen sich natürlich gerne auch Jungs angesprochen fühlen.“ Außerdem sei es falsch, dass sie sich nicht mit relevanten Fragen beschäftigen würde. So spricht die BWL-Studentin in ihrem Podcast „Erwachsenwerden“ auch über „Freundschaft, Vertrauen, Zukunftsängste und auch Politik, Wirtschaft, die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen.“

YouTube als Schrebergartenkolonie

Der Musik-YouTuber NiksDa vergleicht YouTube mit einer Schrebergartenkolonie. „Jeder hat seinen eigenen Garten und manchmal wundert man sich darüber, was der Nachbar so rumbrüllt.“ So gab es im letzten Jahr einen Skandal, der auch über die Community hinaus bekannt wurde, als der erfolgreiche Videokünstler Mert in einem Video Schwule beleidigte.

„Ich habe dann einen Song mit Gegenargumenten veröffentlicht, quasi einen Disstrack gegen Mert.“ Die Einnahmen des Songs hat er türkischen LGBT-Gruppen zur Verfügung gestellt. Danach sei auch er Hass ausgesetzt gewesen und findet #NichtEgal daher umso wichtiger.

Einigen der teilnehmenden YouTuber geht es sicherlich um die Sache. Gerade denen, die selbst in der Vergangenheit negative Erfahrungen Hassrede gemacht haben, ist das Thema persönlich wichtig und das ist ihnen auch anzumerken. YouTube selbst steht immer wieder in der Kritik, nicht entschieden genug gegen Hassinhalte vorzugehen. Dem Unternehmen geht es also natürlich auch ums eigene Image.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Unfaßbar viele Beitäge werden falsch eingetütet. Wer Weißwein bevorzugt, diskriminiert deshalb noch lange keinen Rotwein, auch wenn er ihn abscheulich findet und das auch weitererzählt. Wer Buddhisten, Christen, Shintoisten, Muslime oder Angelikaner nicht mag oder sogar kritisiert, der haßt noch lange nicht. Jeder Mensch hat das recht, alle und jeden zu kritisieren. Mann. Wofür hat denn die freie Welt sich dieses Recht in ellenlangen Kämpfen erstritten? Doch nicht dafür, daß ich heute für Kritik an Wasauchimmer für Wasauchimmerphob tituliert werde. Bin ich Rotweinophob, nur weil ihn nicht mag ?

  • Übrigens: Bevor jetzt wieder irgendwelche Schlaumeier und Gewichtheber nach Strafmaßnahmen rufen: Gefühle lassen sich nicht verbieten. Man kann sie nur unterdrücken. Das ist allerdings sehr arbeitsintensiv und teuer. Derartige Versuche können ganze Gesellschaftsordnungen ruinieren. (Wenigstens die gelernten DDR-Bürger unter uns sollen sich an die Erfahrung noch erinnern.)

     

    Am vernünftigsten ist es, die Mensch ihre Gefühle selbst managen zu lassen. Man muss an ihren guten Willen appellieren. Und zwar so, dass sie nicht nein sagen können. Das, allerdings, ist nur erfolgversprechend, wenn es halbwegs gerecht zugeht in der Gesellschaft. Sonst… - siehe unten.

  • Hass ist ein "intensives Gefühl der Abneigung", weiß Wikipedia, das "zu aggressiven Handlungen gegenüber den Hassobjekten führen [kann]." Er "ist immer das Ergebnis einer tiefen Verletzung oder einer schmerzlichen Situation, [die] man aus eigener Kraft nicht verändern kann."

     

    Hassen kann man in (mindestens) drei Stufen.

     

    Stufe 1:

    Der sogenannte reaktiven Hass ist akut. Er richtet sich direkt gegen die Verursacher des Schmerzes und endet mit der (Wieder-)Herstellung der (gefühlten) Gerechtigkeit. Deswegen enden Gerichtsverhandlungen oft mit Geld und Freiheitsstrafen für überführte Straftäter.

     

    Stufe 2:

    Wird die Gerechtigkeit nicht zeitnah wieder hergestellt, weil der Verletzte keine Unterstützung kriegt oder der Schmerz-Verursacher nicht greifbar ist ("too big to fail", "abgetaucht"), kann Hass verschoben werden. Er trifft dann nicht die Person oder Gruppe, die ihn verursacht hat, sondern sogenannte Sündenböcke, Ersatzsubjekte, die sich nicht wehren können, noch weniger Solidarität erfahren oder schlicht grade greifbar sind.

     

    Stufe 3:

    Wenn die Verwendung von Sündenböcken nicht konsequent genug unterbunden wird, kann Hass chronifizieren. Er wird zur schlechten Angewohnheit, schreibt sich quasi in den Charakter ein, braucht keinen konkreten Anlass mehr und ist nicht zu beheben durch konkrete Maßnahmen.

     

    Es sollte mich wirklich wunder, wenn das intensive Gefühl, das zu Hasskommentaren im Netz führt, tatsächlich unterbunden werden könnte von 1.500 frisch gebackenen Mentor*innen, die ihr Wissen an 10.000 Schüler*innen weitergegeben. Genau so gut, wie man versuchen kann, Hasssprüchen mit Aufklärung zu begegnen, kann man versuchen, ein totes Pferd durch gutes Zureden wieder zum Laufen zu bekommen.

     

    Wer hasst, braucht keine Worte. Er braucht Taten. Er muss erfahren, dass seine Verletzungen behandelt werden. Und zwar so, dass sie a) nicht länger schmerzen und b) kein neuer Hass entsteht. Für YouTube geht es nur um einen Werbegag. Für alle Anderen geht es aber um mehr.

  • Was genau ist Hate-Speech denn ? Wo fängt sie an ? Wo genau ist die Trennlinie zwischen erlaubter, freier Meinungsäußerung und Beleidigung beispielsweise ? Darf man einen Verbrecher Verbrecher nennen, wie es ein bekannter Journalist fordert oder nicht ? Einen Idioten darf man aber keineswegs so nennen, auch wenn er sich nachweislich als einer erwiesen hat. Das ist ziemlich unbequem und auch verwirrend. Wird man tatsächlich beleidigt, nur weil es sich so anfühlt ?

    • @Thomas Schöffel:

      "Was genau ist Hate-Speech denn?"

       

      Da wo es denjenigen, welche dieses Konzept grade missbrauchen passt. Hitler und Stalin haben ähnliche Begriffe verwendet, um gegen Oppositionelle vorgehen zu können.