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Kampagne „Media Diversity UK“Immer nur Täter oder Opfer

Britische Medien beschäftigen kaum Redakteure aus ethnischen Minderheiten. Eine Journalistin startet daraufhin eine Kampagne.

„Wenn die Redaktionen in diesem Land zu 98 Prozent weiß sind, prägt das die Wahrnehmung“, sagt Aktivistin Samantha Asumadu. Bild: Povilas Liudvikas/photocase.com

Am 31. Mai nahm sich der Londoner Journalist Rodney Sealy die aktuelle Ausgabe der Gratis-Abendzeitung Evening Standard vor und fing an zu rechnen. Inwieweit bildet die größte Lokalzeitung der multikulturellsten Stadt Europas die Vielfalt Londons ab? 40 Prozent der acht Millionen Londoner gehören ethnischen Minderheiten an. Aber von 158 Menschen, die an diesem Tag im redaktionellen Teil des Evening Standard auf Fotos vorkamen, waren 150 Weiße. Die genau zwei Schwarzen waren ein verurteilter Betrüger und ein von einer Gang getöteter Schüler.

Sealys Artikel The Evening Standard of Whiteness, der am 11. Juni in der Wochenzeitung The Voice erschien, „Britain’s Biggest Black Newspaper“, war für Samantha Asumadu ein Fanal. Die junge Londoner TV-Journalistin ghanaischer Herkunft gründete die Kampagne „Media Diversity UK“, zunächst als Blog. Am Montag startete die Kampagne öffentlich auf der Webseite des Guardian.

„Einer von sechs Menschen in diesem Land kommt aus einer ethnischen Minderheit“, sagt Asumadu zur taz. „Wenn die Redaktionen in diesem Land zu 98 Prozent weiß sind, prägt das die Wahrnehmung und auch die Berichterstattung. Wenn es keine ’People of Colour‘ in den Medien gibt, gibt es keine Empathie.“

Asumadu kam 2010 aus Uganda zurück, wo sie als TV-Korrespondentin gearbeitet hatte. In ihrem Guardian-Artikel berichtet sie: „Als ich aus Ostafrika nach London zurückkam, fühlte ich mich marginalisiert. Ich blätterte durch die Zeitungen und fand nichts von oder über Leute wie ich.“ Die Stigmatisierung der Schwarzen in London als entweder Täter oder Opfer von Gewaltverbrechen verstärkte sich noch nach dem Mord an einem Soldaten durch islamistisch radikalisierte Nigerianer am 23. Mai.

Pool nichtweißer Journalisten

Jetzt will Asumadu einen Pool nichtweißer Journalisten zusammenstellen, der in die Medien drängt. Dass es geht, bewies im Juni die kleine Tageszeitung Independent, die als erste britische Zeitung überhaupt einen nichtweißen Chefredakteur berief: Amol Rajan, 29, geboren in Indien, aufgewachsen in Südlondon.

Immerhin gibt es in Großbritannien seit Jahrzehnten anerkannte nichtweiße TV-Nachrichtenmoderatoren. Deutschlands Redaktionsräume hingegen seien „reine Monokulturen“, kritisierte 2012 Marjan Parvand, Gründerin der Initiative „Neue Deutsche Medienmacher“. Und im Mai forderte die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD) in einem offenen Brief an die taz, Nichtweiße „als ExpertInnen zum Themenfeld Rassismus und Diversity anzuerkennen und für die Medienstrukturen nachhaltig zu gewinnen“. Noch fehlt eine Kampagne wie die in London, damit dieses Anliegen gehört wird.

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3 Kommentare

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  • A
    anke

    Wie jetzt - gibt es also doch ein richtiges Leben im falschen Job?

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

    um Redakteure gings noch gar nicht bei meinem overview, das liegt in Deutschland bei Redakteuren gegen null, in England ist das etwas besser

  • AU
    Andreas Urstadt

    Das Ergebnis gilt fuer eine Lokalzeitung. Die deutschen Lokalzeitungen sind nicht besser. Aber die deutschen translokalen Zeitungen sind auch nicht besser. Die deutschen Medien insgesamt machen keine Punkte mehr. Waehrend in den englischen Medien laengst people of color (sic) auftauchen. In Berlin sind die Banken teils vom Personal more diverse als die Medien.

     

    Im Kulturbereich geht die Rate in England sofort hoch, hier bleibt sie auch im Kulturbereich relativ niedrig.

     

    Lokalitaet ist bei Migranten nicht auf einen Ort beschraenkt. Das gilt auch fuer die medialen Kontakte, das gilt fuer die Peilung der Satellitenschuesseln, die ganz anders ausgerichtet sind als die der Einheimischen oder Alteingesessenen.

     

    Weiter ist die Kommunikation viel staerker oral orientiert als schriftlich. Es ist eine andere Nachrichtenkultur. Die Zeitungen in anderen Sprachen werden natuerlich gar nicht beruecksichtigt, die Migrantenausgaben haben kaum einheimischen staff. Dasselbe gilt fuer Minderheitenradio usw. Die Diversity geht gegen null dabei .

     

    Schneller overview mit ggf Schwankungen.