Kalter Krieg im Cyberspace: Pentagon will digitale "Scharfschützen"
Die US-Verteidigungsministerium ist dabei, seine Internetstrategie zu formulieren. Was bislang bekannt wurde, erschreckt Beobachter: Das Netz wird zum Kampfschauplatz.
Kann man im Internet Krieg führen? Wenn es nach den Strategen des amerikanischen Verteidigungsministeriums geht, lautet die Antwort mit Nachdruck: durchaus. Als "aktive Verteidigung" bezeichnet das Pentagon mögliche Maßnahmen innerhalb seines sogenannten "Cybersecurity"-Planes, der laut einem Bericht der Washington Post derzeit fertiggestellt wird.
Der Militärexperte David Ignatius fühlt sich dabei an den Kalten Krieg erinnert. So ist geplant, zusammen mit den wichtigsten NATO-Partnern eine Art Früherkennungsnetzwerk aufzubauen, das in eine Zivilverteidigung mündet, die das Pentagon zusammen mit Privatfirmen errichten will. Kommt es zu Angriffen, können Soldaten des kürzlich eingerichteten "United States Cyber Command" zum Gegenschlag ausholen, das ab dem 1. Oktober offiziell in Betrieb geht. Die Marschrichtung wird schon aus dem "Mission Statement" der im Militärjargon USCYBERCOM genannten Einheit deutlich: Sie soll die "Handlungsfreiheit im Cyberspace" für die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten sichern, sie gleichzeitig aber auch "unseren Feinden verweigern".
Das Problem: Im Internet weiß ein Angegriffener häufig nicht, wer der Angreifer wirklich war. Vergeltungsmaßnahmen müssen deshalb sorgfältig abgewogen werden, weshalb das USCYBERCOM zunächst der Wirtschaft und den Infrastrukturanbietern dabei helfen soll, sich besser gegen Attacken abzusichern und Netze redundant zu machen. Doch die Drohung, massiv zurückzuschlagen, besteht weiter.
Für gefährlich halten Netzbürgerrechtler die Strategie, die das USCYBERCOM bei der Online-Zivilverteidigung verfolgen will: So sollen unter anderem mit Experten des in Netzdingen schon jetzt schwer aktiven Geheimdienstes NSA bestehende Systeme abgeklopft werden. Mancher Beobachter fürchtet neue Hintertüren für die Schlapphüte.
William J. Lynn III, der stellvertretende US-Verteidigungsminister, der für die Internet-Strategie des Pentagon verantwortlich ist, sieht im Netz nur einen neuen Kampfschauplatz, den man wie den Luftraum oder die Landesgrenzen verteidigen kann. In seiner "Cyberstrategy 3.0" hat er auch sogenannte "Scharfschützen" vorgesehen, die die USA auf Zuruf verteidigen sollen. Wie das aussehen wird, weiß noch niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“