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Kalbitz' Klage gegen ParteiausschlussBrandenburgischer Murmeltiertag

Nach der Klage gegen den Parteiausschluss von Andreas Kalbitz kommt es zur Hauptverhandlung. Nicht wenige in der AfD wünschen sich seine Rückkehr.

Andreas Kalbitz verfolgt eine Sitzung des Brandenburger Landtags von der Tribüne Foto: dpa

Berlin taz | Andreas Kalbitz, einst der einflussreichste Strippenzieher des völkischen AfD-„Flügels“, arbeitet nach seinem Ausschluss weiter an der Rückkehr in die extrem rechte Partei. Nach der Niederlagen vorm Parteischiedsgericht und in zurückgewiesenen Eilverfahren am Landgericht nimmt Kalbitz am Freitagvormittag den nächsten Anlauf, um sich wieder in die AfD einzuklagen. Denn dann steht die Hauptsacheverhandlung vor der Zivilkammer 43 des Landgerichts Berlin an. Ob bereits ein Urteil fällt, ist offen.

In einem zurückgewiesenen Eilverfahren hatte die Kammer bereits festgestellt, dass die Beschlüsse des Parteischiedsgerichts jedenfalls nicht „evident rechtswidrig“ gewesen seien, auch eine Berufung im Eilverfahren von Kalbitz scheiterte.

Im Hauptsacheverfahren geht es nun um den juristischen Strengbeweis. Dabei dürfte es nicht zuletzt um Details gehen: Ausgeschlossen wurde der Rechtsextremist am 15. Mai 2020 nämlich nicht wegen seiner zahlreichen rassistischen und rechtsextremen Äußerungen, sondern aus formalen Gründen. Kalbitz soll bei seinem Eintritt in die AfD 2013 seine Mitgliedschaft in der neonazistischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) verschwiegen haben, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Ebenso soll er seine einjährige Mitgliedschaft ab 1993 bei den damals vom Verfassungsschutz beobachteten „Republikanern“ unerwähnt gelassen haben. Beides bestreitet ­Kalbitz.

Die HDJ war bis zu ihrem Verbot 2009 eine für die Neonaziszene wichtige Untergrund­organisation, die sich an der Hitlerjugend orientierte und vormals „Heimattreue Jugend“, kurz „HJ“ hieß. Ihr Ziel war die Erziehung einer neuen natio­nalsozialistischen Elite. Kalbitz nahm an mindestens zwei Zeltlagern der Organisation teil. Es existieren Beweisfotos von 2007, der Verfassungsschutz verfügt sogar über eine Mitgliedsliste, auf der „Familie Andreas Kalbitz“ mit „Mitgliedsnummer 01330“ geführt wurde, wie sich nach und nach herausstellte.

Sein Einfluss gilt als ungebrochen

Kalbitz redete sich stets per Salamitaktik heraus, distanzierte sich aber nie inhaltlich von seiner Vergangenheit. Zuletzt behauptete er, dass er bei der HDJ nur „Interessent“ gewesen sei und die Mitglieder-Software der HDJ ihn fälschlich als Mitglied geführt habe. Dazu hatte er offenbar auch den ehemaligen „HDJ-Bundesführer“ Sebastian Räbinger kontaktiert, der eidesstattlich versichert habe, dass die Software diese Unterscheidung nicht mache.

Bei der politischen Einordnung von Kalbitz gibt es kein Vertun: Die Liste seiner rechtsextremen Aktivitäten, Kontakte und Mitgliedschaften ist bemerkenswert lang. Für Experten und auch den Verfassungsschutz ist klar, dass Kalbitz über Jahrzehnte im organisierten Rechtsextremismus verwurzelt ist. Der Militärgeheimdienst MAD hatte den ehemaligen Fallschirmjäger und Bundeswehrausbilder schon länger auf dem Schirm und hatte ihn für Reservisteneinsätze gesperrt, der Reservistenverband hat ihn 2020 rausgeworfen. Ebenfalls seit Anfang 2020 beobachtet der Verfassungsschutz Kalbitz mit nachrichtendienstlichen Mitteln.

Sein Einfluss insbesondere im Landesverband Brandenburg und im völkischen Lager rund um Björn Höcke gilt unter vielen Beobachtern indes als ungebrochen: Kalbitz war für nicht wenige trotz seines formalen Ausschlusses immer Teil der Partei. Insbesondere nach dem Austritt seines größten innerparteilichen Kontrahenten, Jörg Meuthen, wurden die Rufe vor allem in der Ost-AfD und der Basis nach Kalbitz’ Rückkehr lauter.

Ebenso tauchte Kalbitz bis zuletzt wie selbstverständlich auf AfD-Veranstaltungen und Kundgebungen auf. Auch dürfte seine Macht im Landesverband Brandenburg ungebrochen sein – dort wurde gerade die zu seinem Lager gehörende Birgit Bessin zur Landesvorsitzenden gewählt. Nach seinem Rausschmiss hatte Bessin gesagt: „Wir stehen zu unserem Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz.“ An ihrem Standpunkt dürfte sich bis heute wenig geändert haben.

Rückkehr: nicht „ob, sondern wann und wie“

Denn selbst der brandenburgischen Landtagsfraktion gehört Kalbitz als Parteiloser noch an, dafür änderte die Fraktion eigens ihre Geschäftsordnung. Mitglied der Fraktion ist Kalbitz noch immer – selbst nachdem der parteiintern auch für seine Wutausbrüche berüchtigte Kalbitz seinen Fraktionskollegen Dennis Hohloch in die Seite geboxt hat – angeblich freundschaftlich zur Begrüßung – und dieser anschließend mit Milzriss im Krankenhaus lag. Das anschließende Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde gegen Geldzahlung eines vierstelligen Betrages durch Kalbitz eingestellt.

Kalbitz selbst äußerte sich zuletzt im Spiegel. Er strebe die Wiedererlangung seiner Mitgliedschaft „unverdrossen an, ob juristisch oder auf anderem Wege“. Er sei „unabhängig von dem aktuell sehr verstärkten Zuspruch sehr zuversichtlich“. Die Frage sei für ihn nicht „ob, sondern wann und wie“ er in die Partei zurückkehre.

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