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Kaili zwischen Sparzwang und KorruptionTrojanisches Pferd – in Brüssel

Ganz Griechenland spricht seit Freitag nur über eine Frau: Eva Kaili von der Pasok. Ihre mutmaßlichen Vergehen sorgen für Empörung und Wut.

Eva Kaili ohne Rückhalt. Hier noch in Athen, November 2011 Foto: reuters

Athen taz | Für Eva Kaili ging es bisher nur steil nach oben. Die heute 44-Jährige wuchs in Thessaloniki in bürgerlichen Verhältnissen auf. Sie studierte Architektur, später an der Uni Piräus Internationale Studien. Bereits mit 14 Jahren trat sie der sozialistischen Pasok-Jugend bei, mit 24 war sie jüngstes Stadtratmitglied in ihrer Geburtsstadt Thessaloniki.

Im Jahr 2004, mit erst 26 Jahren, schaffte sie als Pasok-Kandidatin im ersten Wahlkreis von Thessaloniki formal den Sprung ins griechische Parlament. Doch der damalige Pasok-Chef Georgios Papandreou machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Er aktivierte seine Kandidatur in Kailis Wahlkreis, um ins Parlament zu kommen – statt Kaili. 2007 schaffte sie dann doch den Sprung ins Parlament, 2009 erfolgte die Wiederwahl. Eine kleine Rache an Papandreou konnte sie nicht durchziehen; sie verweigerte ihm in seiner Funktion als Premier zunächst bei einem Vertrauensvotum im Parlament die Stimme, vollzog dann aber einen Last-Minute-Rückzieher.

Für Kaili war die heimische Karriere erledigt, zumal ihr der Papandreou-Nachfolger an der Spitze der Partei, Evangelos Venizelos, bei den Wahlen im Frühjahr 2012 genau das antat, was schon Papandreou 2004 mit ihr gemacht hatte: Er aktivierte seine Kandidatur in Kailis Stammwahlkreis. Notgedrungen arbeitete sie in einem Athener Forschungsinstitut für Gleichstellung. Zu wenig für die ehrgeizige Griechin.

Sozialleistungen „an Faulenzer“

Für Kaili war der Einzug ins Europaparlament 2014 die Rettung. Politisch, aber auch finanziell. 2019 schaffte sie die Wiederwahl. Hatte sie bis 2013 noch Euro-Einnahmen im mittleren fünfstelligen Bereich, liegen sie seither deutlich darüber, zuletzt bei 165.472,71 Euro (2020). Laut ihrem Einkommens- und Vermögensverzeichnis, das sie Jahr für Jahr dem Athener Parlament zu deklarieren hat, wuchsen ihre Spareinlagen von 70.585,61 Euro (2013) auf 463.197,69 Euro im Jahr 2020 an. Davon befinden sich 393.178,18 Euro auf zwei Konten der belgischen KBC-Bank, der Rest auf griechischen Konten. Ferner nennt sie sechs Immobilien ihr Eigen. 2015 erwarb sie eine 53 qm große Wohnung in Brüssel, 2019 eine 169,25 qm große Wohnung samt 40 qm großen Parkplatz im Athener Nobelviertel Psychiko. Obendrein hat sie drei Autos, dazu noch Aktien und Investmentfonds im Wert von 2.429,48 Euro (Stand: 2020). Kredite und Verbindlichkeiten? Keinen Cent. Eine Leistung im kaputtgesparten Griechenland.

Ausgerechnet Kaili diffamierte in den desaströsen 10er-Jahren wiederholt die Schwächsten der griechischen Gesellschaft. Mit Blick auf das von Anfang 2015 bis Juli 2019 in Athen regierende „Bündnis der Radikalen Linken“ („Syriza“) polterte sie: „Was machen sie? Sie überweisen Sozialleistungen. An wen? An Faulenzer! An Typen, die vor sich hin vegetieren, ohne arbeiten zu wollen!“ Für ihre Schelte bekam sie von Spitzenpolitikern der konservativen Nea Dimokratia (ND) dickes Lob.

Der im Dezember vorigen Jahres gewählte Pasok-Chef, Nikos Androulakis, wie Kaili seit 2014 Europaabgeordneter, und der von ihr bei seiner Wahl zum Pasok-Chef nicht unterstützt wurde, hat bereits Ende September die Vorsitzende der S&D-Fraktion im Europaparlament, die Spanierin Iratxe Garcia Perez, darüber in Kenntnis gesetzt, dass er Kaili bei den nächsten Europawahlen nicht nominieren werde. Wie Androulakis am Samstag in Athen dazu erklärte, habe Kaili den Athener Abhörskandal „öffentlich verharmlost“. Sie untergrabe zudem die Arbeit des Pega-U-Ausschusses im Europaparlament zur Verbreitung und Nutzung von Spähsoftware in der EU.

Für den Pasok-Chef, selbst Opfer im Athener Abhörskandal, sei Eva Kaili nur ein „Trojanisches Pferd“ der Regierungspartei ND. Schon am Freitag warf er Kaili hochkant aus der Pasok.

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2 Kommentare

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  • Erinnert mich an Uli Hoeneß.



    Andere diffamieren, aber selbst Geld unterschlagen.

    • @MeineMeinungX:

      Fühl ich eher an Günter Oettinger erinnert.