Kämpfe in der Ostukraine: Blutige Schlacht um Bachmut
Seit Monaten stecken die ukrainische Armee und russische Soldaten in einem brutalen Stellungskampf. Beobachter sehen Parallelen zu Verdun 1916.
Diese Woche vermeldete die russische Seite ihre größten Erfolge seit Wochen, mit der Eroberung dreier Dörfer am Südrand von Bachmut entlang der Eisenbahnlinie, die in südöstliche Richtung bis ins 90 Kilometer entfernte Donezk führt. Zumindest von Süden her rückt damit das russische Ziel einer Einkesselung der bereits weitgehend menschenleeren und zerstörten Frontstadt mit einst gut 70.000 Einwohnern näher.
Von Norden her gibt es allerdings keine entsprechenden Vorstöße, und pausenlose russische Frontalangriffe aus östlicher Richtung haben in vier Monaten nur wenige Kilometer Geländegewinne gebracht – bei beträchtlichen eigenen Verlusten. Überraschungseffekte sind ausgeschlossen: Anders als im Ersten Weltkrieg wissen in diesem Krieg dank der Luftüberwachung mit Drohnen beide Seiten genau, was der Feind macht. Die Artillerie wird zumeist aus Bunkern ferngesteuert.
Am 1. August hatte Russlands Verteidigungsministerium den Beginn der „Schlacht um Bachmut“ ausgerufen, nachdem die Ukraine sich zuvor von einem wichtigen Kraftwerk und der lange umkämpften Kleinstadt Popasna zurückziehen musste. Es war die Zeit, als Russland langsam, aber unerbittlich im Donbass auf dem Vormarsch schien.
Russland schickt die berüchtigten „Wagner“-Söldner
In mehrmonatigen Kämpfen hatte Russlands Armee die komplette Kontrolle über das ostukrainische Gebiet Luhansk errungen, mit besonders schweren Kämpfern um die Stadt Sewerodonezk – nun sollte das Gebiet Donezk komplett erobert werden, wo seit 2014 die stärksten ukrainischen Verteidigungslinien unmittelbar westlich der Stadt Donezk verlaufen, mit Frontstädten wie Bachmut.
Zur Eroberung Bachmuts stellte Russland Kämpfer der privaten Söldnerarmee Wagner an vorderste Front. Wagner rekrutiert Strafgefangene aus Russland mit der Ansage, entweder sie überlebten und kämen frei – oder eben nicht. Sie kämpfen unter Anleitung von Söldnern mit Auslandserfahrung, etwa in Syrien. Ein russischer Militärblogger bezeichnet sie als „teufelsmutige Sturmtruppen“, die „ohne Rücksicht auf Verluste“ vorgehen.
Auf ukrainischer Seite sind die Verluste immens. „Wenn wir sehen, dass unsere Truppen großer Gefahr ausgesetzt sind, ziehen wir den Rückzug vor“, zitiert die französische Zeitung Le Monde in einer Reportage aus Bachmut einen Armeesprecher. „In 80 Prozent der Fälle ziehen wir uns zurück und decken das mit Artillerie ab.“
Aber die ukrainische Artillerie, zusammengewürfelt aus Eigenbeständen, erbeutetem russischen Material und Spenden unterschiedlicher Nato-Länder, ist beim Nachschub mit Munition der russischen Seite weiterhin unterlegen. Auch der Verschleiß ist hoch. Die New York Times berichtete vergangene Woche, von den 350 Haubitzen aus westlicher Lieferung in der Ukraine seien zu jedem Zeitpunkt rund ein Drittel in der Wartung oder Reparatur.
Bachmut ist zu wichtig, um aufzugeben
Auch auf russischer Seite schwindet die Kampfkraft. Immer wieder geraten Frontberichte russischer Soldaten an die Öffentlichkeit, wonach fast alle ihre Kameraden tot seien und Versorgung mit den elementarsten Dingen ausbleibe. Die ukrainische Armee meldet, dass sich russische Einheiten immer häufiger ungeschützt zu Fuß im Kampfgebiet bewegen, und findet nach eigenen Angaben in eroberten russischen Stellungen Papiere von erst im Oktober einberufenen Rekruten. Überprüfen lassen sich die Angaben beider Seiten nicht.
Für beide Seiten ist Bachmut zu wichtig, um aufzugeben. Die Befürchtung der Ukraine: Fällt Bachmut, fällt der Donbass. Die Hoffnung der Wagner-Kämpfer: Siegen wir in Bachmut, nachdem die russische Armee sich in Cherson und vor Charkiw geschlagen gab, sind wir Nummer eins in der Nach-Putin-Ära. Von der Front in Bachmut aus gesehen, entscheidet sich dort die Zukunft der Ukraine und Russlands.
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