Kämpfe in Bergkarabach beunruhigen UN: Aserbaidschan schießt weiter
Aserbaidschan solle die Offensive sofort beenden, fordern mehrere Länder bei der UN-Generalversammlung. Doch Baku will nur verhandeln, wenn Armenien kapituliert.
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Der groß angelegte Militäreinsatz Aserbaidschans in Bergkarabach mit mindestens 27 Toten ist von der internationalen Gemeinschaft mit Besorgnis aufgenommen und auch am Rande der UN-Generaldebatte in New York thematisiert worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief am Dienstagabend (Ortszeit) erneut zu einem Ende der Gewalt auf. Frankreich forderte angesichts des Militäreinsatzes eine „Dringlichkeitssitzung“ des UN-Sicherheitsrats. Rom bot Armenien und Aserbaidschan seine Vermittlung an. Auch Moskau erklärte, das „Blutvergießen“ müsse aufhören.
Nach monatelanger Eskalation im Konflikt um Bergkarabach hatte Aserbaidschan am Dienstag einen groß angelegten Militäreinsatz in der umstrittenen Kaukasusregion gestartet. Die Regionalhauptstadt Stepanakert/Chankendi sowie weitere Städte standen nach Angaben der Vertretung Bergkarabachs in Armenien unter „intensivem Beschuss“.
Pro-armenische Kräfte meldeten mindestens 27 Todesopfer, darunter zwei Zivilisten. Über 7.000 Bewohner wurden demnach aus 16 Ortschaften evakuiert. Vertreter westlicher Staaten forderten ein sofortiges Ende der Kämpfe.
Aserbaidschan fordert Kapitulation
„Die erneuten militärischen Aktivitäten, davon bin ich überzeugt, führen in die Sackgasse“, sagte Scholz bei der UN-Generaldebatte in New York. „Sie müssen enden.“ Zuvor hatte er bereits erklärt, es gehe darum, „wieder zurückzukehren zum Pfad der Diplomatie“.
Frankreich erklärte gegenüber der Nachrichtenangentur AFP, eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zu der „illegalen“ und „nicht zu rechtfertigenden“ Offensive Bakus in Bergkarabach könne „in den nächsten Tagen“ stattfinden, möglicherweise am Donnerstag.
Italiens Außenminister Antonio Tajani forderte Aserbaidschan auf, „seine Militäraktion“ in Bergkarabach „sofort zu beenden“, nachdem er sich am Dienstag am Rande der UN-Generalversammlung mit seinen armenischen und aserbaidschanischen Kollegen getroffen hatte. Er habe dem armenischen Außenminister Ararat Mirsojan sowie dem aserbaidschanischen Kollegen Jejun Bayramow seine Vermittlung in dem Konflikt angeboten, erklärte sein Büro.
Auch das russische Außenministerium rief am Mittwochmorgen dazu auf, „das Blutvergießen sofort zu beenden, die Feindseligkeiten einzustellen und das Töten von Zivilisten zu beenden“.
Die armenischen Behörden der umstrittenen Region verlangten einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen. Die aserbaidschanische Regierung erklärte sich grundsätzlich zu Verhandlungen bereit, forderte aber als Voraussetzung die Kapitulation der armenischen Separatisten. Sie müssten ihre Waffen abgeben, das „illegale Regime“ müsse sich auflösen. Sollte dies nicht geschehen, würde die Offensive „bis zum bitteren Ende fortgesetzt“.
Im Fall einer Kapitulation schlug Baku Gespräche „mit Vertretern der armenischen Bevölkerung Karabachs“ in der aserbaidschanischen Stadt Jewlach vor.
Stepanakert/Chankendi weiter unter Beschuss
Die aserbaidschanischen Streitkräfte versuchten am Dienstag, tief in das Gebiet von Bergkarabach vorzudringen, erklärten die pro-armenischen Kräfte. Demnach setzten die aserbaidschanischen Streitkräfte Artillerie, Raketen und Kampfdrohnen ein.
Bergkarabachs Hauptstadt Stepanakert/Chankendi stand nach Angaben eines AFP-Reporters am Dienstagabend weiter unter Beschuss. Gleichzeitig gab Baku bekannt, 60 armenische Stellungen erobert zu haben.
Die aserbaidschanische Regierung sprach von „örtlich begrenzten Anti-Terror-Einsätzen“ in Bergkarabach. Diese zielten auf armenische Militärpositionen und von „Separatisten“ genutzte Einrichtungen. Laut dem Verteidigungsministerium in Baku wurden humanitäre Korridore zur Evakuierung von Zivilisten eingerichtet.
Der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan sprach hingegen im Fernsehen von einem aserbaidschanischen „Einsatz von Bodentruppen“ mit dem Ziel einer „ethnische Säuberung“ der armenischen Bevölkerung in der Enklave. In Armeniens Hauptstadt Eriwan demonstrierten derweil hunderte Menschen gegen Paschinjan. Sie warfen ihm Versagen bei der Verteidigung Bergkarabachs vor und forderten seinen Rücktritt.
Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet leben aber überwiegend Armenier. Aserbaidschan und Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Enklave und lieferten sich deshalb bereits zwei Kriege, zuletzt im Jahr 2020. Damals hatte Russland nach sechswöchigen Kämpfen mit mehr als 6500 Toten ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang.
In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen um das stark verminte Bergkarabach wieder deutlich zugenommen.
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