Kabarettistisches Theater aus Graz: Schaurige Traditionen

„I am from Austria“ nennt sich ein neues Infotainment-Format am Schauspielhaus Graz. In Folge 3 geht es um die FPÖ und Burschenschaften.

Oliver Chomik, Anke Stedingk und Tim Breyvogel stehen mit gefalteten Händen auf der Bühne

Oliver Chomik, Anke Stedingk und Tim Breyvogel in „I am from Austria“ Foto: Lex Karelly

„I am from Austria“ singt Rainhard Fendrich und konstatiert in seinem zum Evergreen gewordene Lied verlorene Größe, auch überstandene „Höll“. Im Schauspielhaus Graz läuft seit November eine Serie, die sich vom Volkssänger den Liedtitel leiht für eine innenpolitische Abrechnung.

Fünf Folgen, fünf brennende Themen, das ist der Plan vom Institut für Medien, Politik und Theater. Das vierköpfige Kollektiv aus Regisseur Felix Hafner, den Dramaturginnen Emily Richards und Jennifer Weiss sowie der Journalistin Anna Wielander hat sich dem Infotainment verschrieben. Und wurde von der neuen Intendantin Andrea Vilter in die kleine Spielstätte des Theaters eingeladen, seit dieser Spielzeit „Schauraum“ für neue Formate.

Drei gesichtslose Behörden-Wartebänke markieren die Bühne. Darauf fläzt sich Oliver Chomik und nickt ein. „Heimat bist du rechter Söhne“ heißt die dritte Folge von „I am from Austria“, nach „Es gilt die Unschuldsvermutung“ (Korruption) und „Skifoan woa des Leiwandste“ (Nationalsport und Klimakrise). Chomik und seine MitspielerInnen Anke Stedingk und Tim Breyvogel, aus Deutschland „übergesiedelt“, reden erst mal übers „Österreich-Pickerl“, eigentlich die Maut-Vignette im Alpenstaat, hier aber ein fiktiver Aufenthaltsstatus-Aufkleber, den mensch als NichtösterreicherIn nur kriegen kann nach einem Österreich-Wissenstest.

Österreich lernen

Gottgleich schaltet sich also immer wieder die Stimme des Kabarettisten Rudi Widerhofer im breitesten Österreichisch ein und stellt Multiple-Choice-Fragen. Die behandeln von Anfang an die FPÖ und ihre Netzwerke. Die Zugereisten springen auf den Zug auf und rechnen mit der FPÖ ab. Das Institut für Medien, Politik und Theater hat den Journalisten Emil Biller recherchieren lassen: lokal, national und über den österreichischen Tellerrand hinaus.

Die FPÖ rekrutiert ihren Nachwuchs bevorzugt in der Hauptstadt der Steiermark, erfährt man, im Dunstkreis der vielen Grazer Burschenschaften. Der Exkurs in die braune Vergangenheit der Burschenschaften vor und nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938, ihrem kurzen Verbot nach 1945 und der Wiedergründung unter altem Vorzeichen, ist ein veritabler Horrortrip.

Bei der Rückkehr in die Gegenwart landet man in einem Gruselkabinett des Lächerlichen, über das man schmunzeln könnte, wäre die FPÖ eine Splitterpartei. Sie liegt aber aktuell auf Platz 1 in den Umfragen. Und die Nationalratswahl steht an.

Biller ist in den sozialen Netzwerken der FPÖ fündig geworden. Wandgroß werden die entlarvenden Posts des einschlägigen FPÖ-Personals inklusive HC Strache an die Bühnenwand gebeamt. In dem Abgrund, der sich öffnet, finden sich „Mein Kampf“-Lektüre, SS-Verehrung und ein Netzwerk bis zu Martin Sellner, Begründer der Identitären Bewegung Österreichs und als Redner beim Rechtsextremisten-Treffen in Potsdam inzwischen auch in Deutschland bekannt.

Wenige Schritte vom Theater entfernt gibt es seit 2008 einen bemerkenswerten Text an der Decke eines Laubengangs: „Passant, willst du wissen, wie du dich krümmst, wenn du der Macht verfällst? Ich, Sigfried Uibenreither, brachte als Landeshauptmann der Steiermark und in der Ausübung meiner sonstigen Ämter viele Menschen um. Ich tat es nicht alleine. Ich tat es nicht selbst. Ich hatte Mitarbeiter. Wenn du durch das Tor gehst, schäme dich nicht nur für mich. Wer suchte nach mir? Wer stellte mich vor Gericht? Warum hast du geschwiegen?“ Uibenreither war verantwortlich für die brutale Germanisierungspolitik in der slowenischen Untersteiermark. Seit 1927 war er Mitglied der Burschenschaft Cheruskia Graz.

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