Kabarettistin im „Literarischen Quartett“: Von Body Positivity hält sie nichts
Beim „Literarischen Quartett“ war Lisa Eckhart zu Gast. Trotz Kritik an ihrer Teilnahme vor der TV-Sendung war der Nervfaktor überraschend gering.
Die klassische Literaturkritik muss inzwischen fast vollständig draußen bleiben. Seit Thea Dorn das einzige ständige Mitglied in der Literaturkritik-Simulation „Das Literarische Quartett“ ist, sieht sie zu, dass neben ihr keine professionelle Literaturkritikerin stattfindet; stattdessen werden Autorinnen, Autoren, Schauspieler oder auch mal Kabarettistinnen eingeladen, die zufälligerweise auch gerade ein Buch am Start haben.
Womit wir gleich beim kleinen Skandalon wären, den es schon vorab zu dieser Ausgabe der ZDF-Sendung gegeben hat. Oder gegeben haben soll. Maxim Biller, der sich inzwischen eigentlich lieber als Schriftsteller sieht denn als Kritiker oder Feuilletonist, hat sich auf seine Art über den Auftritt der eh schon reichlich umstrittenen besagten Kabarettistin Lisa Eckhart, nun ja, beschwert; hat sie in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung „als 28-jährige Frau aus einem Dorf in der Steiermark“ mit einer „sehr, sehr blonden HJ-Frisur“ (wäre nicht „BDM-Frisur“ korrekter gewesen?), mit „Nazi-Domina-Look“ und einem „herablassenden, nasalen Offiziersmessen-Ton“ beschrieben. Ihr Auftritt im Literarischen Quartett sei der hinreichende Beweis, so Biller, dass „der deutsche Jude und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki endgültig den Kampf gegen die Nazis verloren“ hat.
Lisa Eckhart teilt gerne aus
Thea Dorn wird sich über diese Vorab-Aufmerksamkeit gefreut haben und in ihrer Gast-Auswahl bestätigt fühlen. Lisa Eckhart selbst wird sich ebenso bestätigt fühlen: viel Feind, viel Ehr. Nun kann Eckhart auch selbst ganz gut austeilen. Das zeigte sie dann auch, als es wirklich darauf ankam. Nämlich auf dem Platz in der Sendung, die Biller selbst ja aus Gründen (wollte eben mehr Schriftsteller sein als Kritiker) vor einigen Jahren geräumt hat. Zwei, drei Gelegenheiten reichten ihr dabei dieses Mal aus. Einmal ging es dabei um „Body Positivity“, von der sie offensichtlich nichts hält, das andere Mal um einen selbst gewählten Opferkult. Mitgebracht hat sie das neue Buch eines anderen Provokateurs, nämlich den Essay-Band des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq.
Aber um auch das gleich zu sagen: Der Nervfaktor der Sendung blieb überraschend gering. Nun hat sich Dorn auch schon öfter um streitbare Mitstreitende bemüht, gar schlimm war es, als der knorrige und nicht zuletzt sich selbst überschätzende Sven Regener in einer Runde mit Jan Fleischhauer und Juli Zeh plötzlich als Sympathiebolzen herüberkam. Die Ausgabe mit der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff hat sich der Rezensent gleich geschenkt.
Gut, Lisa Eckhart hat ein paar Mal zu oft Nietzsche erwähnt, warum und zu welchem Zweck auch immer. Doch sonst hielt sich die rhetorisch geschulte „Retro-Österreicherin“ (Biller) an den vorgegebenen Takt. Andrea Petkovic als die Tennis-Fernsehnase, die nicht nur gern gute Bücher liest, sondern auch selbst schreibt, hielt sich ebenso souverän an Eckharts Seite wie Musterschauspieler Ulrich Mattes neben Dorn.
Interessant waren sowieso ganz andere Frontlinien. Der schon ältere Roman von Elif Shafak fand einhellige Zustimmung; der schmale neue DeLillo stieß gleich mehrere Interpretationsspielräume auf. Die wesentlichen Diskussionen fanden – natürlich, ist man versucht zu schreiben – bei eben Houellebecq und der Frankfurter Schriftstellerin Minka Pradelski statt.
Bei Houellebecq verstieg sich Ulrich Mattes zu der Aussage, keine Religion solle als solche kritisiert werden; was Thea Dorn mit Bezug auf Voltaire zurückwies. Andererseits meinte Dorn, Tierliebhaber seien eher weniger auf der politisch rechten Seite zu finden. Ein kleiner Besuch bei AfD-nahen Demonstrierenden würde sie rasch vom Gegenteil überzeugen. Interessant war auch, dass Dorn sich vehement für das Buch der 1947 in einem Lager für Displaced Persons als Kind mit jüdischen Eltern geborenen Pradelski einsetzte und dann immer schmallippiger wurde, je vehementer die rein auf den Stil abzielende Kritik von Mattes gegen das Buch wurde. Hier fand Mattes bei Eckhart Unterstützung, aber zu einem Skandal im Billerschen Sinne reichte das alles nicht.
Insgesamt war das eine überraschend sachliche und genauso überraschend unterhaltsame Sendung. Über das Outfit von Eckhart sei nur so viel gesagt: Von einem Nazi-Look war sie, zumindest was die Kleidung betraf, weit entfernt.
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