Justizreform in Polen: Demos und Ärger mit der EU
Tausende gehen in Polen gegen die Justizreform auf die Straße. Gefährdet ist auch die Zusammenarbeit mit der EU. Nun hat Präsident Andrzej Duda reagiert.
Damit reagiert Duda auf den Druck der Straße und die folgenschweren Konsequenzen in der praktischen rechtlichen Zusammenarbeit mit den EU-Staaten. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Montag berichtet, wären nach dem Umbau des Rechtssystems zukünftig kaum noch reguläre Auslieferungen und Amtshilfe bei Vollstreckungsmaßnahmen möglich.
Auf dem Spiel stehe die gesamte nachbarstaatliche Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, nicht zuletzt auch die bisher nach EU-Recht praktizierte grenzüberschreitende Strafverfolgung und die Auslieferung von Straftätern. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, sagte dem RND, das System der Rechtshilfe erfolge im Vertrauen darauf, dass die beteiligten Länder Rechtsstaaten seien.
„Sobald Polen aber kein Rechtsstaat nach dem gemeinsamen Verständnis der EU mehr ist, dürften sich die anderen Mitgliedsstaaten sehr schwer tun, Polen etwa bei der Strafverfolgung vorbehaltlos zu unterstützen“, sagte Gnisa. Sofern einem Beschuldigten in Polen „kein faires, sondern ein von der Regierung beeinflusstes politisches Verfahren droht, liefert die deutsche Justiz ihn im Zweifelsfall eher nicht aus“.
Polen sei dabei, sich durch die Justizreform in der EU-Rechtsgemeinschaft zu isolieren. Insbesondere der europäische Haftbefehl erscheint nach Einschätzung der Fachleute zukünftig im Zusammenspiel mit Polen nicht mehr reibungslos praktikabel. Polen ist bei den europäischen Auslieferungsersuchen besonders rührig, Hauptadressat bei der Erfüllung eines europäischen Haftbefehls ist dabei die Bundesrepublik.
Oberste Gerichtshof unter Regierungskontrolle
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk: „Die Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz gefährden Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung.“ Dem könne die EU „nicht tatenlos zusehen“.
Die nationalkonservative Regierung verfolgt mit einer Reihe von Gesetzen das Ziel, ihren Einfluss auf die Justiz des Landes zu vergrößern. Unter- und Oberhaus hatten Ende der Woche einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem der Oberste Gerichtshof des Landes unter Regierungskontrolle gestellt werden soll.
Der umstrittene Entwurf muss nur noch von Präsident Andrzej Duda unterzeichnet werden. Unter anderem soll das von der Regierungspartei PiS beherrschte Parlament künftig auch über die Besetzung des Landesrichterrats entscheiden.
„Freiheit, Gleichheit, Demokratie!“
Zum achten Mal in Folge sind in ganz Polen Demonstranten aus Protest gegen die umstrittene Justizreform auf die Straße gegangen. Menschen schwenkten am Sonntag polnische und EU-Flaggen vor dem Präsidentenpalast und später vor dem Obersten Gerichtshof in Warschau. Sie riefen Präsident Andrzej Duda auf, drei Gesetzentwürfe nicht zu unterzeichnen, die unter anderem das höchste Gericht des Landes und andere Institutionen der Justiz unter die Kontrolle der nationalkonservativen Regierungspartei stellen würden.
Die Protestierenden sangen Slogans wie „Verfassung!“ und „Freiheit, Gleichheit, Demokratie!“. Auch in Krakau, Breslau und anderen polnischen Städten kam es zu Demonstrationen, Menschen gingen ebenfalls in Paris, Brüssel und London auf die Straßen.
Die Gesetzentwürfe gingen in den vergangenen Tagen schnell durch beide Kammern des Parlaments, lediglich Dudas Unterschrift wird noch benötigt, damit die Justizreform in Kraft tritt. Sie sieht unter anderem vor, dass die derzeitigen Richter am Obersten Gericht sofort entlassen werden und deren Ersatz vom Justizminister bestimmt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken