Justiz in den Philippinen: Duterte Kritikerin ist frei
Die philippinische Menschenrechtsaktivistin Leila de Lima kommt nach fast sieben Jahren frei. Sie wurde mutmaßlich zu Unrecht inhaftiert.
Die 64-jährige de Lima gehört zu den bekanntesten und mutigsten Kritikerinnen des früheren Präsidenten Rodrigo Duterte und von dessen tödlichem Anti-Drogen-Krieg. 2017 wurde sie wegen des Vorwurfs festgenommen, in ihrer Zeit als Justizministerin Bestechungsgeld von Häftlingen angenommen und im Gegenzug Drogenhandel hinter Gittern zugelassen zu haben. Sie wurde damit zur prominentesten politischen Gefangenen des Landes.
De Lima wies die Vorwürfe stets zurück und sprach von einem politisch motivierten Vorgehen gegen sich. Der Prozess gegen sie wurde von einer machistischen Rufmordkampagne begleitet, bei der sie als schlüpfrig und unglaubwürdig denuziert wurde. So wurde ihr ein Verhältnis mit ihrem Fahrer nachgewiesen und sie darauf als Ehebrecherin denunziert. Da lebte sie schon jahrelang getrennt von ihrem früheren Ehemann, doch gibt es in den Philippinen kein Scheidungsrecht.
In dem Prozess hatten mehrere Zeugen mutmaßlich im Tausch gegen Hafterleichterungen gegen de Lima ausgesagt. Inzwischen haben mehrere Zeugen ihre Aussagen gegen sie widerrufen oder sind gestorben, zwei von drei Anklagepunkten gegen die Ex-Ministerin wurden inzwischen fallengelassen.
Vorerst nur auf Kaution frei
Das Gericht in Manila verkündete nun seine Entscheidung, de Lima und vier Mitangeklagte gegen umgerechnet rund 5000 Euro Kaution auf freien Fuß zu setzen. Stunden nach der Gerichtsanhörung verließ de Lima das Polizei-Hauptquartier, in dem sie bisher in Haft saß.
De Lima war eine entschiedene Gegnerin der blutigen Anti-Drogen-Politik des zum Zeitpunkt ihrer Festnahme herrschenden Präsidenten Rodrigo Duterte. Jahrelang hatte die Juristin erst als Menschenrechtsbeauftragte und dann als Justizministerin zu den Tötungen im Drogenmilieu durch „Todesschwadronen“ ermittelt, die Duterte in seiner Zeit als Bürgermeister von Davao und zu Beginn seiner Präsidentschaft gesteuert haben soll.
Der Jurist Duterte brüstete sich mit seinem blutigen Drogenkrieg, den er über Jahre erst in der Großstadt Davao City durchgeführt und dann als Präsident auf das ganze Land ausgebreitet hatte. Schätzungen zufolge wurden dabei bis zu 30.000 Menschen außergerichtlich getötet, darunter viele Unschuldige einschließlich Minderjährigen oder Kleindealer.
Nach dem Amtsantritt von Präsident Ferdinand Marcos jr. im Juni vergangenen Jahres waren erneut Rufe von ausländischen Diplomaten, Menschenrechtsgruppen und Politikern laut geworden, de Lima freizulassen. De Lima hatte zuvor vom Gefängnis aus vergeblich um ihre Wiederwahl als Senatorin gekämpft.
Im Gefängnis litt die 64-Jährige unter Gesundheitsproblemen, im Oktober vergangenen Jahres wurde sie kurzzeitig bei einem Ausbruchsversuch von drei Inhaftierten als Geisel genommen und mit dem Tod bedroht. Auch jetzt halten Beobachter de Lima für gefährdet.
Marcos jr. ist politisch mit Duterte verbündet, aber dieser hält nicht so viel von dem Sohn des Diktators Ferdinand Marcos. Dutertes Tochter ist heute die Vizepräsidentin von Marcos Jr. Die jetzige Gerichtsentscheidung wird als vorsichtiges Abrücken des Präsidenten von seinem Vorgänger gewertet, der sich womöglich noch vor einem internationalen Strafgericht verantworten muss. Unter Marcos Jr. wird Dutertes Drogenkrieg auf niedrigeren Niveau und bei weniger aggressiver Rhetorik fortgesetzt.
Die Organisation Human Rights Watch (HRW) begrüßte die Gerichtsentscheidung vom Montag. „Sie hätte nie vom früheren Präsidenten Rodrigo Duterte ungerechtfertigt verfolgt und inhaftiert werden dürfen“, erklärte die stellvertretende HRW-Asien-Direktorin Bryony Lau.
Die US-Botschafterin MaryKay Carlson betonte, die US-Regierung verfolge den Fall weiterhin aufmerksam und „freut sich darauf, die übrig gebliebenen Vorwürfe im Einklang mit philippinischem Recht gelöst zu sehen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei