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Justiz in den NiederlandenNichts als die Wahrheit

Seit Montag läuft der Prozess um den Abschuss von MH17 2014 über der Ostukraine. Die Angeklagten sind nicht dabei. Das Urteil kommt nicht vor 2021.

298 Stühle für die Opfer vor der russischen Botschaft in Den Haag Foto: Peter Dejong/ap

Schiphol taz | Unter großer internationaler Aufmerksamkeit hat am Montag das Strafverfahren um den Abschuss des Passagierflugs MH17 in den Niederlanden begonnen. „Viele haben lange auf diesen Tag gewartet“, sagte der Vorsitzende Richter Hendrik Steenhuis zu Beginn und verwies auf die „schreckliche Katastrophe“, bei der am 17. Juli 2014 alle 298 Passagiere ums Leben gekommen waren.

Bestätigt wurde Steenhuis von mehr als 400 Medienvertretern aus über 20 Ländern. Ab dem frühen Morgen trafen sie im eigens erbauten Pressezentrum beim speziell gesicherten Gerichtsgebäude am Flughafen Schiphol ein. Auch die technischen Schwierigkeiten zum Auftakt unterstrichen seine Worte: Kurz nach der Eröffnung musste die Sitzung unterbrochen werden, weil der Livestream wegen Überlastung zusammenbrach.

Anwesend im Gerichtssaal waren rund 20 Angehörige der Opfer. „Wir werden erfahren, was geschehen ist, warum das Flugzeug abgeschossen wurde und was die Rolle Russlands dabei war“, sagte Piet Ploeg, Vorsitzender der Hinterbliebenen-Vereinigung „Stiftung Flugkatastrophe MH17“, vor Beginn. 49 Hinterbliebene wollen im Lauf des Verfahrens von ihrem Recht Gebrauch machen und berichten, was der Abschuss für sie bedeutet.

Nicht erschienen waren wie erwartet die Angeklagten – drei hohe militärische Vertreter der prorussischen Separatisten in Donezk sowie der ukrainische Befehlshaber einer Einheit, weil weder Russland noch die Ukraine Staatsbürger ausliefern.

Nichts zu tun

Als Einziger von ihnen ließ sich Oleg Pulatow, der stellvertretende Geheimdienstchef der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, von zwei niederländischen Anwälten vertreten. Eine von ihnen, Sabine ten Doesschate, betonte, ihr Klient habe mit dem Abschuss „nichts zu tun“.

Zur Last gelegt wird ihnen die Herbeiführung des Abschusses mit Todesfolge und Ermordung aller Passagiere. Staatsanwalt Ward Ferdinandusse erklärte, sie hätten nicht den Knopf zum Abschuss gedrückt, wohl aber eine „wichtige koordinierende Rolle“ beim Einsatz und Transport der fraglichen BUK-Rakete gespielt. Bei einer Verurteilung kann dies eine lebenslange Haftstrafe bedeuten.

Ob diese je vollstreckt würde, ist jedoch mehr als fraglich. Aus diesem Grund wird in den Niederlanden, wo der Flug MH17 nach Kuala Lumpur gestartet war und woher mit 198 Personen die meisten Opfer stammen, derzeit über den Sinn des Verfahrens diskutiert.

Gegen ein internationales Tribunal hatte Russland 2015 vor dem UN-Sicherheitsrat sein Veto eingelegt. 2017 beschlossen die Mitglieder des gemeinsamen Rechercheteams – Niederlande, Australien, Malaysia, Belgien und Ukraine – daher eine strafrechtliche Verfolgung in den Niederlanden.

Sinnvoller Prozess

Seitens der Hinterbliebenen ist man sich dennoch weitestgehend einig, dass der Prozess auch unter diesen Umständen sinnvoll ist. „Ich hoffe, dass so die Wahrheit auf den Tisch kommt“, sagt Sander van Luik, Sprecher der „Arbeitsgruppe Wahrheitsfindung“, zu der sich rund 30 besonders aktive Hinterbliebene zusammentaten.

Bis zur inhaltlichen Behandlung und Befragung von Zeugen wird es indes noch einige Zeit dauern. Zumal die Auftaktsitzungen in dieser Woche für formelle Punkte reserviert sind – wie die Frage, ob das Gericht auch ausreichend Anstrengungen unternommen habe, um den Angeklagten ihre Vorladungen zu übermitteln.

Für den bemerkenswertesten Moment der Auftaktsitzung sorgte Dedy Woei-A-Tsoi, eine weitere Staatsanwältin: beim Verlesen der Anklageschrift nannte sie die Namen aller 298 Opfer.

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