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Juso-Vorsitzende zur Großen Koalition„Das ist kein Freifahrtsschein“

Johanna Uekermann hält eine Reichensteuer weiter für möglich. Sie will in den nächsten Jahren sticheln und die Annäherung an die Linkspartei suchen.

Innerparteiliche Opposition will sie aber nicht sein: Johanna Uekermann. Bild: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Uekermann, großer Jubel übers Ja zum Koalitionsvertrag bei der SPD-Basis. Haben Sie auch ein Schlückchen Sekt getrunken oder einen Schnaps gebraucht?

Johanna Uekermann: Weder, noch. Ich habe mich gefreut über die Riesenbeteiligung beim Mitgliedervotum. Es war Wahnsinn, wie viele Leute da mitdiskutiert haben. Das ist ein Sprung für die innerparteiliche Demokratie. Über das Ergebnis haben wir nicht unbedingt gejubelt.

Sie haben gegen den Koalitionsvertrag gestimmt, weil er nicht der große Wurf sei. Werden wir jetzt vier Jahre lang mittelmäßig regiert?

Das wird sich zeigen. Wir werden die neue Bundesregierung jedenfalls kritisch begleiten und uns bemerkbar machen, sollten Punkte, die uns gerade für junge Menschen fehlen, gar nicht angegangen werden.

Tun Sie das als innerparteiliche Opposition?

Na, das geht zu weit. Aber wir werden der Stachel im Fleisch dieser Großen Koalition bleiben. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids ist kein Freifahrtschein.

Wofür wollen Sie sticheln?

Wir Jusos wollen mit dafür sorgen, dass die guten Punkte des Koalitionsvertrages, wie der Mindestlohn, die Rente mit 63 und der Einstieg in die doppelte Staatsbürgerschaft, jetzt auch schnellstmöglichst umgesetzt werden. Und wir werden darauf dringen, dass Punkte, die uns gefehlt haben, wie die Bafög-Reform und die Ausbildungsgarantie, auch noch auf den Koalitionstisch kommen.

Im Interview: Johanna Uekermann

geboren 1987 im bayerischen Straubing und dort aufgewachsen. Seit Dezember ist die Politikwissenschaftlerin Juso-Bundesvorsitzende.

Die SPD konnte mit dem Mitgliederentscheid im Rücken der Union einiges abverhandeln. Dieser Trumpf ist weg. Ist jetzt nicht die Union am Zug, oder sehen Sie noch Spielräume?

Mit dem Mitgliedervotum hat die SPD eine höhere Verbindlichkeit geschaffen. Wir werden darauf achten, dass die vereinbarten Investitionen in Bildung und Infrastruktur nicht nachträglich mit einem Finanzierungsvorbehalt versehen werden. Wenn die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, ist eine höhere Belastung von sehr hohen Einkommen und Vermögen unausweichlich.

Hat die SPD mit der Regierungsbeteiligung die Chance vertan, die Weichen für Rot-Rot-Grün in vier Jahren zu stellen?

Auf keinen Fall. Obwohl es jetzt eine Große Koalition gibt, ist es wichtig, dass wir in den nächsten Jahren die Annäherung an die Linkspartei suchen. Auch das werden wir von der Parteispitze einfordern.

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11 Kommentare

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  • W
    Wolfgang

    Zu: @"DORIS K."

     

    Würden Sie ernsthaft behaupten, die Bauarbeiter in Katar und die Bergarbeiter in den afrikanischen Gold- und Diamantenminen, wären faule Menschen?

     

    Materiell-stofflicher Reichtum ist ein Ergebnis der produktiven Wertschöpfung - und nicht der privaten Aneignung fremder Arbeitsleistung.

     

    Die Quelle des Mehrwerts ist die von den Arbeitern (Frau und Mann) über die notwendige Arbeit hinaus geleistete Mehrarbeit.

     

    Die Produktion des Mehrwerts durch die Lohnarbeiter und seine Aneignung durch die Kapitalisten (sog. BDA-"Sozialpartner") ist "das treibende Motiv und der bestimmende Zweck des kapitalistischen Produktionsprozesses" (Karl Marx).

     

    Im Kapitalismus (sog. "Soziale Marktwirtschaft" - der Vorstandsmitglieder, Großaktionäre und Erbschafts-Milliardäre) ist der Arbeiter (FacharbeiterIn, wissenschaftlich-technische MitarbeiterIn etc.), der keine Produktionsmittel besitzt, gezwungen, seine Arbeitskraft als Ware an die Eigentümer der Produktionsmittel zu verkaufen. Der Kapitalist zahlt in der Regel den Wert der Arbeitskraft, dessen Höhe von deren Reproduktionskosten abhängt. Sie umfassen die Kosten für Lebensunterhalt, Familie, Ausbildung usw. und schließen ein historisches Entwicklungselement ein.

     

    Der Arbeitstag teilt sich in notwendige Arbeitszeit und in Mehrarbeitszeit. Der (differenzierte) Lohnarbeiter leistet notwendige Arbeit, die den Wert seiner Arbeitskraft reproduziert und seinem Lohn entspricht, und MEHRARBEIT, die sich der Kapitalist in Form des Mehrwerts unentgeltlich aneignet.

     

    Dieses Raub-, Ausbeutungs- und Aneignungssystem wird in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung mit allen staatlich-juristisch-polizeilich-militärisch-geheimdienstlichen Gewaltmaßnahmen geschützt!

  • DK
    Doris K.

    Die Jusos sind bei den Klassenkampfparpolen der 30er Jahre geistig hängengelieben. Schuld sind immer nur die bösen Kapitalisten. Das die Verteilung von Reichtum aber auch etwas mit den individuellen Eigenschaften der Menschen zu tun hat, wird gar nicht erwähnt. Es gibt nun mal Menschen, die sind fließig, strebsam, können mit Geld umgehen und sind clever. Das diese Menschen es eher zu etwas bringen als ein träger und fauler Mensch sollte klar sein. Diese individuellen Eigenschaften tragen sehr viel mehr zur Arm/Reich-Verteilung bei als das Bankkonto der Eltern. Man kann durch gutes Wirtschaften in der Tat reich werden, aber auch durch Umfähigkeit arm werden. Die Besitzverhältnisse alleine entscheiden nicht über Arm und Reich.

    Aber erklär das doch mal den Jusos... damit würde doch das geliebte Feindbild demontiert werden. Und Feindbilder geben Sicherheit. Für manche Radikale die einzigste Sicherheit...

    • @Doris K.:

      " Es gibt nun mal Menschen, die sind fließig, strebsam, können mit Geld umgehen und sind clever"

       

      Clever ist ein schöneres Wort für bescheißen und fleißig, strebsam sind auch die, die Ihnen die Weihnachtsgeschenke nach Hause liefern, die sie sich sicher nicht leisten können.

      Was für eine eingeschränkte Weltsicht.

      Nochmal ein Zitat von Ihnen:"Und Feindbilder geben Sicherheit.Für manche Radikale die einzigste Sicherheit..." Na, jetzt überlegen Sie mal, wem die Hose noch passen könnte !

  • TR
    Torsten Rassmusen

    Die Sozis fordern immer nur, das können sie gut. Umverteilung, Lohnerhöhungen, Reichensteuer. Aber alles, was mit Aufbauen, mit Erschaffen zu tun hat, ist ihnen völlig fremd.

    Die Sozis verkörpern ein Kapitalismusbild das vor 150 Jahren aktuell war. Also ob JEDER Unternehmer automatisch ein stinkreicher Ausbeuter wäre und alle Arbeiter automatisch arme Tagelöhner. So einfach ist das aber nicht. Die Welt ist bunt, liebe Genossen. Und das gilt auch für Euer Weltbild!

  • F
    Future

    Auch die Alten (alle) werden irgendwann abtreten. So oder so. Dann kommt die stunde der Wahrheit für alle.

  • S
    Schramm

    'Die Steuer der Vermögenden und Reichen' ist ein (produktiver)Leistungsanteil der eigentumslosen Bevölkerungsmehrheit!

     

    Der Reichtum der Reichen ist ein Ergebnis der Wert- und Mehrwertschöpfung der vor allem eigentumslosen und werktätigen Bevölkerungsmehrheit!

     

    Reproduktionsmittel (PKW, Wohnung, soziale Sicherungsmittel etc.) der Werktätigen sind kein Privatvermögen, sondern eine Voraussetzung für die produktive Arbeitsleistung der lohn-, gehalts-, vergütungsabhängig Beschäftigten.

     

    Ebenso, wie das persönlich leistungslose Privatvermögen der Reichen, so ist deren Steueranteil, ein Ergebnis der produktiven Mehrwertschöpfung der differenzierten Berufstätigkeit, der technisch-wissenschaftlichen Werktätigen.

     

    Wer möchte ernsthaft Behaupten, die BMW-Jahresdividende, im Mai 2010, in Höhe von 648 Millionen Euro, an die Familie Quandt, wäre ein Ergebnis der persönlichen Arbeitsleistung von Stefan Quandt, Johanna Quandt und Susanne Klatten (geb. Quandt)?

     

    Hierbei, beim Quandt-Privat-Vermögen, wie bei allen anderen persönlich leistungslosen Privatvermögen der deutschen Finanz- und Monopolbourgeoisie, und deren privaten Euro-Milliarden, handelt es sich um staatlich-juristisch geschütztes Raubvermögen: Raubvermögen aus der Wertschöpfung und Ausbeutung der abhängig Beschäftigten (u.a. bei BMW, Daimler, VW-Porsche, Siemens, Bosch etc.)

     

    Grundsätzlich, gesellschaftliche Produktionsmittel müssen unter gesellschaftliche Kontrolle. Es bedarf zukünftig Gemeineigentum an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln: unter anderem der heutigen DAX-Konzerne und BDA-BDI-Monopol-Industrien.

     

    Info.-Empfehlung: "Das Kapital", von Karl Marx.

    • XB
      Xander Buh
      @Schramm:

      Noch so´n Altkommunist...

    • V
      Victor_s
      @Schramm:

      Ich selbst habe als Freiberufler für BMW gearbeitet. Ausgebeutete

      arme werktätige Massen habe ich dort nicht gesehen, ganz im Gegenteil. BMW bezahlt überdurchschnittlich hohe Löhne und Gehälter und steht als Unternehmen blendend da, nicht zuletzt wegen der Anteilseigner. BMW gäbe es ohne die Familie Quandt gar nicht mehr. Und den Lehren von Karl Marx folgt nur noch Nordkorea. Die Folgen kennen wir.

      • @Victor_s:

        Was ist mit den Werksvertraglern und Leiharbeitern in Ihrem Sozialprojekt BMW ?

        Mit 7,50 € geht`s ans Band. Mal die Sonnenbrille bei Werksbegehung absetzen !

  • AK
    alles klar

    Mäuschen, auch Du wirst es noch lernen.

    Noch jeder in der SPD hat es gelernt.

    Erst das Fressen, dann die Moral.

  • Mädchen, geh nach Hause, spielen. Die Erwachsenen haben derweil das gesamte SPD-Wahlprogramm gegen Pöstchen und Ämter verkauft. So läuft das bei der SPD nun einmal. Wenn Du's anders willst, kannst Du ja die Partei wechseln.

     

    Es wird jetzt keinen flächendeckenden Mindestlohn geben, und Altersarmut bleibt Ziel der Politik.