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Juso-Bundeskongress in MannheimDer Nachwuchs ist verbittert

Cem-Odos Gueler

Kommentar von

Cem-Odos Gueler

Die Jusos machen bei ihrem Bundeskongress deutlich, dass sie an der SPD verzweifeln. Dort sollte man den drohenden Burnout der Jungen ernst nehmen.

Zukunft mit uns oder doch eher ohne sie? Der Bundesvorsitzende der Jusos, Philipp Türmer, bei seiner Rede in Mannheim Foto: Harald Tittel/dpa

S elten haben Parteinachwuchs-Organisationen die politische Agenda so sehr bestimmt wie an diesem Wochenende. Neben der Neugründung der AfD-Jugend in Gießen unter großem Protest und der Dauerkritik der Jungen Union an der Rentenpolitik der Koalition konnte man den Bundeskongress der Jusos leicht aus dem Blick verlieren. Dieser Umstand steht schon fast symbolisch für die Kritik der jungen SPD­le­r*in­nen bei ihrem Treffen in Mannheim. Denn eigentlich war das keine bloße Kritik mehr, die dort zum Ausdruck kam – sondern Verzweiflung.

Zahlreiche Delegierte brachten in ihren Redebeiträgen eine zunehmende Entfremdung mit der SPD zum Ausdruck. Stadtbild-Debatte, Bürgergeldpläne, Migrationspolitik: Die Jungen in der Partei warfen die Frage auf, was die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen in der Koalition dem gesellschaftlichen Rechtsruck denn überhaupt entgegenzusetzen hätten. Dabei zeigte sich ein tief sitzender Frust. Darüber, dass die Forderungen der Jugend in den realpolitischen Zwängen einer Regierung mit der Union verhallen würden.

Man sei „müde“, der Parteispitze die immer gleichen Vorhaltungen zu machen; darüber, dass die SPD keine Verwalterin des Status Quo werden dürfe und sich von links erneuern müsse. Darüber, dass die SPD angesichts des Rechtsrucks Allianzen links der Mitte suchen müsse. Und dass mit der aggressiven Rhetorik gegen Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen auch zunehmend die Demokratie in Gefahr gerate.

Nun ist es nichts Neues, dass die Jusos einen schwierigen Stand in den linken Jugendbewegungen haben. Doch es scheint, als dringe es überhaupt nicht zur Parteispitze durch, dass der Parteinachwuchs zunehmend ausgebrannt ist. Wiederholt lobte SPD-Chefin Bärbel Bas die Jusos für ihre „Energie“ und dafür, dass sie die Sozialdemokratie voranbringen würden. Ihr Kollege an der Parteispitze, Lars Klingbeil, hatte es zum wiederholten Mal erst gar nicht nötig, sich der Diskussion mit den Jungen auf ihrem Kongress zu stellen.

Dabei sollte der drohende Burnout der Jusos der SPD eine Mahnung sein. Auf die realpolitischen Zwänge und die unbeliebte Koalition zu verweisen, ist nur eine faule Ausrede dafür, sich dieser Kritik zu entziehen. Denn wer auch künftig Kraft von den Impulsen der jungen Generation ziehen will, darf sie nicht am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Und es ist mehr als das: Angesichts der Stärke der rechten Jugendorganisationen wäre es bitter, wenn ausgerechnet die linken SPD­le­r*in­nen verbittert hinschmeißen würden.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP, die Union und Verteidigungsthemen. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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1 Kommentar

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  • Das Problem ist ja nicht nur, dass die Jusos an der SPD verzweifeln. Auch junge Wähler verzweifeln an ihr. Bei den unter 35-Jährigen hat die SPD gerade noch 11% der Wähler geholt. Bei den unter 25-jährigen sogar weniger als 10%. Nur bei den über 70-Jährigen hatten sie noch mehr als 25%.



    Von denen werden manche bei der nächsten Wahl vielleicht gar nicht mehr wählen.



    Ja, die SPD braucht eine neue Idee, um Junge zu begeistern, nein, um alle unter 70-jährigen zu begeistern.



    Wie wäre es mit folgender Idee:



    "Ein Haushaltsdefizit von mehr als 3% muss ausgeglichen werden durch eine Vermögensabgabe an die 3900 Personen, die mehr als 100 Mio. € besitzen."

    Da die es bisher erfolgreich geschafft haben, eine feste Vermögenssteuer zu verhindern, werden die es auch in Zukunft schaffen, dass das Defizit nicht zu hoch wird. In der Vergangenheit würde dies meistens weniger als 1-2% Vermögenssteuer entsprechen. Dadurch würde deren Vermögen immer noch wachsen, nur noch mehr ganz so schnell. Aber man könnte sich das jährliche Chaos um den Bundeshaushalt sparen. Die Parteien würden darüber streiten, was für Deutschland wirklich wichtig ist. Und das würde beschlossen.