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Jurymitglied zum Fall Trayvon Martin„Zimmermann kam mit Mord davon"

Der Freispruch des Todesschützen war vom ersten Moment an umstriten. In den USA löste er landesweit Proteste aus. Nun äußerte eine zweite Geschworene Bedenken.

„B-29“ (Mitte) im Interview mit dem Fernsehsender ABC. Bild: rtr

ORLANDO ap | Nach dem Freispruch im Fall Trayvon Martin hat sich ein weiteres Jurymitglied öffentlich zu dem umstrittenen Urteil geäußert. Todesschütze George Zimmerman sei aus ihrer Sicht mit Mord davongekommen, sagte die Geschworene „B-29“ in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview des TV-Senders ABC. Aber für eine Verurteilung habe es nach den Gesetzen des US-Staats Florida nicht genügend Beweise gegeben.

In einem bewachten Wohnviertel der Stadt Sanford erschoss der Nachbarschaftswärter Zimmerman im Februar 2012 den unbewaffneten dunkelhäutigen Teenager Martin. Die Jury folgte Zimmermans Darstellung, ihn Notwehr gehandelt zu haben – und sprach ihn Anfang Juli frei. Der Fall löste heftige Proteste und eine Debatte über Hautfarbe und die Grenzen von Notwehr aus.

Sie sei für eine Verurteilung Zimmermans wegen Totschlags gewesen, sagte die Geschworene „B-29“ im Fernsehen. „Ich kämpfte bis ans Ende.“ Aber als sich der zweite Tag der Beratungen dem Ende zuneigte, habe sie realisiert, dass es keine rechtliche Handhabe für einen Schuldspruch gegen Zimmerman gebe.

Der 29-Jährige sei davongekommen, könne aber nicht vor Gott davon rennen, sagte „B-29“ weiter. Dass Hautfarbe eine Rolle in dem Prozess gespielt habe, glaube sie aber nicht.

Schon vorher gab es Einwände

Sie war die zweite Geschworene, die Einblicke in die umstrittene Urteilsfindung in dem Fall preisgibt. In dem TV-Interview wurde das Gesicht von „B-29“ gezeigt, zudem gab sie sich als Maddy zu erkennen. Sie stammt nach eigenen Angaben aus Puerto-Rico und zog erst vor kurzem von Chicago nach Florida.

Sie habe den Eindruck, dass sie sich bei Trayvon Martins Eltern entschulden müsse. „Habe ich es richtig gemacht? Oder bin ich in die falsche Richtung gegangen?“, frage sie. „So sehr wir auch versucht haben, diesen Mann (Zimmerman) für schuldig zu befinden....Sie geben dir ein Büchlein, in dem die Wahrheit drinsteht. Und die Wahrheit war, das wir nichts machen konnten.“

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5 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    Vorweg:

     

    Daß eine Geschworene - wie der Angeklagte auch - herach reden darf - also anders als nach europäischem Rechsverständnis nicht das Beratungsgeheimnis greift - hängt wohl mit dem Verbot in USA eines zweites (Straf-)Verfahrens zusammen.

     

    (Spektakulär vor Jahren der freigesprochene (Hume?) mangels Leiche, der hinterher sich rühmte diese gewürfelt aus dem Flugzeug ins Meer geworfen zu haben.)

     

     

     

    But - white flag!

     

    (meine Kenntnisse gehen auch nicht über die 12 Geschworenen hinaus)

     

    "..„So sehr wir auch versucht haben, diesen Mann (Zimmerman) für schuldig zu befinden....Sie geben dir ein Büchlein, in dem die Wahrheit drinsteht. Und die Wahrheit war, das wir nichts machen konnten.“..."????

     

     

     

    Kann mal jemand mit amerikaischem Jura-Abschluß oder sonst Kenne erklären, was da vor sich geht?

     

    Hört sich eher nach nem Bibel-Kreis an, als nach der Beratung eines Spruchkörpers.

     

    "Guilty - or not guilty" - wer(sie)? - bitte wirkt mittels eines/welchen Büchelchens ein?

     

    Motto: " Sie dürfen nicht "guilty" stimmen, weil..."???

     

    (Nach deutschem Rechtsverständnis undenkbar;

     

    Einfluß kann der Berufsrichter schon nehmen, aber eine Abweichung nicht verhindern).

     

    Ich dachte bisher - in der Jury seien nur die Geschworenen anwesend(also Laien);

     

    der Richter klärt nur vorher auf - und wartet das Ergebnis ab.

  • Deshalb ist es bei uns Gesetz, dass das Beratungsgeheimnis nicht verletzt werden darf.

     

     

     

    Das ist schlimm: Die Frau hat also das Gesetz erklärt bekommen, meint aber trotzdem, der sei an sich - also moralisch gesehen - ein Mörder.

     

     

     

    Ich bin kein Fan der Laienjustiz, denn die Frau weiss entweder nicht, wozu sie überhaupt in der Jury saß oder sie weiss nicht was sie sagt.

  • Zimmerman tut mir leid. Man kann ja sagen, dass er einen Fehler gemacht hat, aber ein Mörder ist er sicherlich nicht (zumindest nicht nach deutschem Rechtsverständnis, da fehlen einfach alle Mordmerkmale). Die Art und Weise, wie die Medien versuchen, eine Lynchstimmung gegen Zimmerman zu erzeugen, wie reiche celebrities gegen einen Normalbürger hetzen und seine Verknastung fordern, schließlich, wie ethnozentrisch viele schwarze Amerikaner offensichtlich sind, das finde ich einfach schockierend. In den USA ist alles noch viel schlimmer als gedacht. Armer Zimmerman, er hat vielleicht falsch gehandelt, aber das aus edlen Motiven, nämlich Bürgersinn und Übernahme von Verantwortung für die Gemeinschaft. Ich hoffe, dass er die nächsten Jahre überlebt; wenn nicht, klebt sein Blut an den Händen der Medienhetzer.

  • N
    nuebau

    Da ist was faul: Mord oder Totschlag? Den Unterschied kennt ihr aber, oder?

  • R
    reblek

    „Zimmermann kam mit Mord davon" - Sieh an, die Überschriftenabteilung der taz hat Mr Zimmerman Asyl gewährt und jetzt gibt es Herrn Zimmermann.