Junge Spanier in Deutschland: Staatsbürgerschaft: europäisch
Junge Spanier haben in ihrer Heimat kaum Arbeit – und keine Zukunft. Viele verlassen das Land, auch in Richtung Deutschland. So wie Eric Vázquez Jaenada.
Für Eric Vázquez Jaenada ist Europa nicht nur ein Wort. Er lebt es. Zu Hause in Spanien hatte er keine Arbeit gefunden, Geschichtslehrer werden dort nicht gesucht, mehr als ein Viertel der Spanier ist arbeitslos, bei den unter 25-Jährigen ist es die Hälfte.
Vázquez Jaenada ist 27 Jahre alt, es ist September 2012, als er in Barcelona seinen Koffer packt – so groß wie eine Kommode: Winterschuhe, warme Kleidung, das Diccionario Español-Alemán/Alemán-Español. Auf dem Flughafen El Prat wird er diesen Koffer aufgeben, in Berlin-Tegel wird er ihn wieder vom Gepäckband nehmen. Da will er hin, nach Deutschland. In das Land, in dem es Arbeit geben soll. In dem die Bundeskanzlerin sagte, es würden Fachkräfte gesucht.
Geschichtslehrer wie ihn hat sie damit wohl nicht gemeint. Aber er will es versuchen. In Spanien hat Eric Vázquez Jaenada keine Zukunft mehr. Er ist Teil einer ganzen Generation von jungen Menschen, die keine Arbeit finden. Jeden Monat stellt das spanische Arbeitsministerium die Zahlen vor, seit 2008 eine Zunahme nach der nächsten. Ende April der neueste Höchststand: So viele Menschen waren zuletzt beim Ende der Franco-Diktatur arbeitslos, 1975.
Und: Im vergangenen Jahr sind 45 Prozent mehr Spanier nach Deutschland ausgewandert als im Vorjahr - so viel mehr wie aus keinem anderen Land. Griechenland, Portugal, Italien schaffen es nur auf Platz zwei bis vier.
Wie der Winter in Spanien
Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. Juni 2013. Darin außerdem: Der Schriftsteller Andreas Altmann über seine Getriebenheit und seinen Lebenshunger. Und: Deutsche Whistleblower kommentieren die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Der Norden reich und mit Zukunft, der Süden arm und ohne? Ist das die bittere Realität des heutigen Europa? Vielleicht – wenn man ausschließlich die Zahlen betrachtet. Doch gleichzeitig wächst Europa durch Menschen wie Eric Vázquez Jaenada erst richtig zusammen. Und wird so konkret.
Ende September 2012. Vázquez Jaenada ist gerade eine gute Woche in Berlin. Es ist ein sonniger Herbsttag, er zieht seine dunkle Cordjacke etwas enger zusammen. „Es ist halt wie der Winter in Spanien“, sagt er.
Für den Anfang ist er in einer Familie untergebracht, bei einer Lehrerin der Schule, an der auch er unterrichten soll. Abendessen gibt es um sechs und abends um neun ist er wieder hungrig.
Am schwierigsten aber ist für ihn die Sprache. Deutsch, überall. In der Bibliothek, am Fahrkartenschalter und im Bürgeramt.
Von der Freizügigkeit innerhalb Europas spürt er wenig. Wie soll er sich als EU-Bürger anmelden, wenn weder die Formulare übersetzt sind noch die Mitarbeiter Fremdsprachen sprechen? Deutschland ist in diesen Momenten so weit weg wie ein ferner Kontinent. „Ich höre immer nur Problem, Problem, Problem“, sagt Vázquez Jaenada. Er klingt nicht resigniert, eher erstaunt. Deutschland versagt bei einer solchen Kleinigkeit?
Kennen Sie das? Sie ziehen in ein fremdes Land – vielleicht für länger – und die Bürokratie scheint alles zu verhindern? Sind Sie vielleicht auch innerhalb der EU umgezogen? Was war schwierig, was gut – und was hat Sie überrascht? Wir freuen uns über Ihre Meinung. Diskutieren Sie mit – hier auf taz.de.
Die Titelgeschichte „Der Krisenmigrant“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. Juni 2013. Für diese Geschichte hat Svenja Bergt, unsere Autorin, Eric Vázquez Jaenada ein halbes Jahr begleitet – von Barcelona nach Berlin.
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