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Junge Jour­na­lis­t*in­nen wünschen VeränderungWertschätzung? Fehlanzeige

Junge Jour­na­lis­t*in­nen arbeiten oft in unsicheren, freien Anstellungsverhältnissen. Wie erleben sie die aktuellen Skandale beim ÖRR?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Anspruch, für alle zugänglich und nahbar zu sein. Dem wird er nicht gerecht Foto: Christian Charisius/dpa

Hauseigene Rechercheteams, fristlose Kündigungen und die anhaltende Frage, was und wer als Nächstes kommen wird: Die Skandale rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) sorgen seit Wochen für Wirbel. Im Fokus sind vor allem die Führungsetagen. Doch was sagen die, die von den Chef*in­neneta­gen noch weit entfernt sind? Die oft noch nicht lange für den ÖRR arbeiten und schon jetzt den allgemeinen Unmut zu spüren bekommen? Wie erleben junge Jour­na­list*in­nen im ÖRR die aktuellen Skandale? Und wie bewerten sie ihre Arbeitssituation?

Eine Reportage zur Primetime im RBB. Es geht um Trockenheit und Wasserknappheit in Berlin und Brandenburg. Der Film wird preisgekrönt – zwei Jahre später wird eine Fortsetzung gedreht. Ein Erfolg auf ganzer Linie sowohl für den Sender als auch für die Re­por­ter*in­nen. Nico Schmolke ist einer von ihnen. Er erzählt: Mit Hochglanzdoku hatte der Dreh nichts zu tun.

Schmolke, 31, ist Reporter und arbeitet als freier Journalist für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). In seinen Aufgabenbereich fallen Recherche, Umsetzung und Interviews. Filmen gehört nicht dazu – eigentlich. Doch als die Protagonistin erkrankt, der Drehtag gebucht ist und das Team bezahlt werden muss, zieht Schmolke an einem anderen Tag selbst los – und filmt. Damit überhaupt Material entstehen kann.

Das Motto des Senders sei gewesen: Bloß kein zusätzlicher Drehtag. Schmolke wird für den Extraaufwand nicht entlohnt. Seine Bezahlung ist pauschal geregelt. Mehr Geld wünscht er sich nicht, seine Bezahlung sei angemessen, sagt er der taz. Nicht angemessen findet er hingegen, wie in den obersten Etagen Gelder verschwendet werden. „Es ist einfach absurd zu sehen, wo gespart werden muss und was alles nicht bezahlt werden kann. Und dann sieht man durch den Schlesinger-Fall, wo das Geld stattdessen hingeht“, sagt Schmolke.

Freie werden nicht gesehen

Als freier Journalist beim RBB weiß Schmolke um die Schattenseiten der freien Mitarbeit beim ÖRR. Und da scheint der fehlende WLAN-Zugang im RBB-Haus noch das geringste Übel zu sein. „Als würde ich gar nicht existieren“, beschreibt Schmolke seine Stellung im Haus. Es fehle an Wertschätzung. Damit sich das ändert, müssten die Öffentlich-Rechtlichen grundsätzlich ihr Mindset anpassen, sagt er, und verstehen, dass „die freien Mitarbeiter einen großen Teil der Beschäftigten ausmachen – und darum auch ganze Teile des Programms“.

Schmolke hofft, dass das Momentum des Skandals um die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger genutzt wird, um nicht nur zu schauen, was in den Geschäftsleitungen schiefläuft, sondern den ÖRR als Ganzes zu betrachten. Zuversichtlich zeigt er sich mit Blick auf seine Kol­leg*in­nen. „Ich sehe, dass viele bekannte Au­tor*in­nen jetzt lautstark nach vorne gehen und konkrete Dinge bei Onlinebelegschaften anprangern“, sagt Schmolke.

Dass grundsätzlich etwas schiefläuft, findet auch Çağlar Efe. Efe ist 28 Jahre alt und freier Journalist beim WDR. Er sieht es als Geschenk an, Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein zu dürfen. Efe hat eine in­ter­na­tio­na­le Biografie und ist der Erste in seiner Familie, der studiert hat. Schwierig sei nicht nur, Zugänge in die Re­dak­tio­nen zu bekommen, sondern auch ernst genommen zu werden. Auf Themenvorschläge bekomme man häufig nicht mal eine Antwort, sagt Efe.

Trotz seines Studiums der Medienwisssenschaften kann er nicht allein vom Journalismus leben. Er ist auf einen weiteren Job angewiesen. „Wenn man dann mitbekommt, wie in den Führungsetagen das Geld verprasst wird, kann’s das einfach nicht sein“, sagt er.

Machtbesessene Menschen in Führungsetagen

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Anspruch, für alle zugänglich und nahbar zu sein. Doch statt das umzusetzen, so scheint es Efe, habe sich in den Führungsetagen eine Parallelwelt aufgebaut, wo in Saus und Braus gelebt werde, während besonders freie Kol­leg*in­nen oft doppelt arbeiten müssten. „Ich verstehe nicht, wie Menschen in Führungsetagen so machtbesessen sein können“, sagt er.

In die Zukunft blickt Efe eher skeptisch. Neubesetzungen allein bedeuteten keine Veränderung, findet er. Es brauche strukturelle Reformen und gut funktionierende Kontroll­gremien statt „laienhafte Zusammenschlüsse, die nichts bewirken können“. Und auch wenn eine gute Aufarbeitung gelingen sollte, hofft Efe, dass der ­Skandal nie in Vergessenheit gerät.

Vom Vergessen sind die jungen Mit­ar­bei­ter*in­nen weit entfernt. Die durch die Skandale ausgelösten Debatten und internen Diskussionen führen unter ihnen auch zu Angst. Etwa davor, den eigenen Arbeitgeber zu kritisieren. Schließlich sind die meisten von ihnen in freien Anstellungsverhältnissen tätig und somit wenig abgesichert. Dieses Gefühl kennt auch die 32-jährige Emilia Finkel*, die anonym bleiben möchte.

Finkel arbeitet als freie Journalistin für verschiedene junge Formate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Überrascht sei sie nicht gewesen, als sie von den Affären gehört habe. Als freie Journalistin ist sie selbst nicht beim ÖRR angestellt, sondern bei externen Produktionsfirmen. „Die Sender geben die Aufträge an Produktionsfirmen weiter, um sie auszulagern und damit Geld zu sparen“, erklärt sie. Auf die Frage, ob sie und ihre Kol­leg*in­nen angemessen bezahlt werden, lacht sie und antwortet: „Definitiv nicht.“

Gerade Onlineformate werden oft belächelt

Wie Efe und Schmolke merkt auch Finkel, dass es an Wertschätzung fehlt. Und dabei gehe es nicht etwa um besonderes Lob, sondern lediglich darum, ernst genommen zu werden. Gerade freie Journalist*innen, die für On­line­for­ma­te arbeiten, würden oft belächelt. „On­line­for­ma­te werden häufig nur als ‚Produkte nebenbei‘ verstanden“, sagt die Journalistin. Dennoch sollen sie besonders gut laufen. Das hat oft zur Folge, dass neue Formate schnell wieder eingestampft werden.

Es werde viel auf Reichweite geachtet – und die könne durch Algorithmen sehr willkürlich ausfallen, sagt Finkel. Reichweite könne ein wichtiger ­Anhaltspunkt sein, findet sie. Dennoch brauche es für viele Entwicklungen einfach mehr Zeit, „und die könnte der öf­fentlich-rechtliche Rundfunk sich eigentlich nehmen, da er nicht von Werbung abhängig ist“.

Über die Baustellen, die die Öffentlich-Rechtlichen derzeit zu bearbeiten haben und die unfreiwillig ans Licht gekommen sind, wird viel gesprochen. Doch das reicht nicht. Die Sender stehen vor einer besonderen Aufgabe: Sie müssen das Gesicht wahren und beweisen, dass sie in der Lage sind, Kritik aus den eigenen Reihen anzunehmen. Gerade von denjenigen, die unter internen Strukturen auch leiden: den jungen Freien. Sie wünschen sich Veränderung auf Augenhöhe.

* Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die meisten freien Journalisten (was für ein anachronisches Wort) passen sich im ÖR an und schweigen bei Missständen, weil sie machtlos sind, oder hoffen, einen der wenigen festen Jobs zu bekommen.



    Dass Winken mit dem Wurstzipfel so gut funktioniert, ist auch ein Versagen der mächtigen Gewerkschaft Verdi, die im ÖR kein Bein auf den Boden bekommt. Zudem sind viel zu wenige freie Journalisten Mitglied in einem der Journalistenverbände.



    Rundfunkräte blenden das zutiefst ausbeuterische System der freien Journalisten aus, genauso wie die zahlenmäßig überwiegenden Festangestellten. Das war immer so, wird immer so sein, so das Leitmotto.







    Festangestellte sprachen beim Hamburg Journal (NDR) über einen eklatanten Missstand (Chefin sorgte dafür, dass aus PR Ihrer Tochter Beiträge wurden) nur hinter vorgehaltener Hand, was den enormen Druck zeigt, der dort herrschte.



    Der Kotau der Festangestellten vor einem eklatanten Missstand, der das journalistische System im NDR an sich in Frage stellt, müsste eigentlich Grund für den Rücktritt des NDR-Intendanten Knuth sein, denn er hätte über diesen Missstand informiert sein müssen.



    Doch Fehlanzeige, stattdessen fordert er mit einigen NDR-Chefredakteuren mehr Mut für eine bessere Unternehmenskultur im NDR.



    Doch wie soll die funktionieren, wenn in Kiel derjenige Festangestellte, der zuerst laut Tacheles über politische Einflussnahme beim NDR sprach, mit Verhören, Abmahnung und Versetzung zum Schweigen gebracht wurde?



    Knuth war hier informiert, ließ aber das Ganze laufen, bis der Skandal aufgedeckt wurde, der ebenfalls ins Mark des journalistischen Selbstverständnisses im ÖR schneidet und den die taz genau aufklären sollte.



    Mit ein bisschen mehr Wertschätzung der Freien und ein bisschen mehr Mut im ganzen ÖR ist es angesichts der aktuellen Skandale im ÖR nicht getan.

    Wir brauchen eine grundlegende, demokratische und transparente Reform im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, die das Drei-Klassensystem im ÖR abschafft.

  • Dass die Berichterstattung oft als zu parteinah (selche auch immer) hat damit zu tun, dass in der Spartendemokratie eben nicht nachhaltig informiert wird: Politiker sind Juristen, Reporter haben haben Kummunikationswissenschaft und bestenfalls noch parlamentarische Demokratie gelernt, die in ihrer Wirkungsweise nicht in Frage gestellt werden sollte. Weil es so offensichtlich ist, kommt die Klimakastrophe in Verbindung mit Naturwissenschaftlern und Metereologen auch in den Nachrichtenteil. Aber Wirtschaft, Gewerkschaften, Sozialpolitik, politische Ökonomie sind seltener und wenn dann eher abseits der großen Nachrichtenblöcke Gegenstand in öffentlichen Medien, auch wenn die Klimakatastrophe natürlich im Zusammenhang mit dieser Thematik steht. Aber das gehört weder zur Ausbildung der Journalistik noch der eh' schmalspurigen Qualifizierung in der Politik. So gleiten die Nachrichten dahin, ohne dass das Wesentliche vom Unwesentlich getrennt wird und dramatische Entwicklungen als Wiederholung vielen Konsumenten, die ohne klare Erkenntnisse lieber verdrängen, eher zu langweilig werden. Lieber dabei zuschauen, wie sich die Gewählten so in diesem Theater darstellen mit entsprechenden Meinungsumfragen nach Lieblingen oder Verlierern. So laufen die Lieblingsreporter den Prominenten hinterher, ohne dass irgendjemand gut davon hat, am ehesten wird noch beklagt, dass sie hilflos wirken und damit Querdenkern Nahrung geben.

  • Richtiger und wichtiger Artikel. Aber andererseits: wenn die taz jetzt auch auf den von Springer in Gang gesetzten Kampagnenzug gegen ARD und ZDF aufspringt, wäre es doch im Sinne der Transparenz nur konsequent, daß auch die taz mal offenlegt, wie es denn bei ihr im Haus so mit Bezahlung und Wertschätzung der vielen freien Mitarbeiter:innen aussieht. Vermutlich eher noch schlechter als bei den Öffentlich-Rechtlichen, oder?

    • @StefanMG:

      Aber es ist für eine gerechte Sache und schließlich werden keine Zwangsbeiträge erhoben und man hat ja auch eine Verantwortung gegenüber den Genossenschaftsmitgliedern und auch die Friedrichstraße hat gekostet und die Kantine( Bio und Vegan) kostet auch. Auch die Parkettböden?, Naturmaterialien sowie kostenloses E-Bike laden kostet. Summa Summarum bleibt da nicht viel übrig, deswegen ja der Haustarif und nicht der Tarif Druck und Papier. Das was die Gewerkschaften fordern kann man eh nicht zahlen. Reicht das jetzt als Erklärung? Ach so die freien Mitarbeiter habe ich vergessen, die werden doch nach Zeilen bezahlt, deswegen ist die Druckausgabe ja fast randlos.

  • Nur weil ich Kommunikationswissenschaften studiert habe, habe ich doch keinen Anspruch auf eine Stelle bei den ÖR. Interessant ist doch eher die Tatsache, dass viele Mitarbeiter, vor allem im Bereich der Unterhaltungssendungen und im Talkshow-Bereich eigene Produktionsfirmen haben und selber die Sendungen produzieren. Warum stochert dort kein Journalist rum? Ob Frau Schlesinger mit 10 Personen nun 2 Flaschen Champagner getrunken hat spielt doch nun wirklich keine Rolle.