Jürn Kruse über ARD und ZDF in der Putsch-Nacht: Keine gute Figur
Ja, liebe ARD, liebes ZDF, ihr habt es am Freitagabend sehr ernst gemeint mit eurem Auftrag zur Grundversorgung. Zumindest wenn man Grundversorgung im Sinne von Grundsicherung oder Grundbedürfnis versteht. Ihr habt immer mal wieder kurz das Programm unterbrochen, eure Korrespondenten am Telefon gehabt, seid – sehr spät – sogar mal ein bisschen länger live draufgeblieben. Aber kann das alles sein, wenn in einem europäischen Land und Nato-Mitglied das Militär putscht?
Wer mehr wollte, musste ganz weg vom Fernsehen (Twitter) oder wenigstens umschalten. Al-Dschasira sendete durch, CNN auch, selbst Euronews war ununterbrochen live drauf und versuchte, alles einzuordnen. Wer hierzulande in dieser unübersichtlichen Lage begleitet werden wollte, fand bei ARD und ZDF kaum Orientierung. Da können noch so viele Moderatorinnen und Moderatoren in den sozialen Netzwerken die eigenen Sender loben und immer wieder das gleiche Argument abfeuern: Wir recherchieren erst, bevor wir senden!
Dieses Argument ist in vierfacher Hinsicht ärgerlich und frech. Denn erstens impliziert es, dass all die anderen Sender da draußen nur ungeprüften Schwachsinn hinausposaunen würden. Zweitens macht nicht erst die offizielle ARD-ZDF-Verifikation eine Nachricht zu einer Nachricht. Drittens: Warum lasst ihr die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht teilhaben an diesem Prozess des Sortierens und Einordnens? Genau das machen andere Sender. Es gibt nicht nur die Wahl zwischen dem Senden der wahren Nachricht und dem Wegducken bei unklarer Lage. Und viertens solltet ihr euch glücklicher schätzen, dass sich in unübersichtlichen Zeiten so viele Menschen an ARD und ZDF wenden, sie ernst nehmen, wenn sie sich nicht ordentlich versorgt fühlen – und euch nicht als Lehrer und Hüter des wahren Journalismus aufspielen. Das steht einem von allen getragenen System nicht gut an.
Nein, liebe ARD, liebes ZDF, das habt ihr nicht gut gemacht.
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