Jürgen Gottschlich über den Umgang der Türkei mit der PKK: Repression Opposition
Aus Sicht der türkischen Regierung schien die Gelegenheit günstig, mehr als 280 mutmaßliche Mitglieder und Sympathisanten der kurdischen PKK festzunehmen. Militärisch ist die PKK aus der Türkei weitgehend verdrängt. Im Nordirak ist sie auch in der Defensive und nach dem Sturz des syrischen Despoten Baschar al-Assad schien klar, dass sich die mit der PKK kooperierende kurdischen Miliz YPG auch nicht mehr lange würde halten können.
Die türkische Regierung schlug deshalb vor, der Gründer und Chef der PKK, Abdullah Öcalan, könne von der Gefängnisinsel Imrali entlassen werden, wenn er die Auflösung seiner Organisation verkünden würde. Nur läuft es nicht so, wie von Präsident Recep Tayyip Erdoğan erhofft. Der jetzt 75-jährige Öcalan würde zwar verständlicherweise seine letzten Lebensjahre gerne in Freiheit verbringen, doch im Moment würde sein Aufruf zur Auflösung der Guerilla und Niederlegung der Waffen eher verpuffen.
Warum sollte die PKK darauf eingehen, wenn die türkische Regierung im Gegenzug außer einer möglichen vorzeitigen Entlassung Öcalans so gar nichts anbietet? Auch die neuen Herrscher in Damaskus sind bisher nicht bereit, den Kurden entgegenzukommen.
Erdoğan lässt deshalb den Druck auf die Kurden und die gesamte Opposition in der Türkei erhöhen nach dem Motto: Wenn ihr uns nicht freiwillig gebt, was wir wollen, zeigen wir euch die Daumenschrauben. Doch das hat in dem seit über 40 Jahren andauernden Konflikt mit der PKK und der kurdischen Minderheit insgesamt noch nie genutzt. Tausende sind im Kampf für mehr Autonomie bereits getötet worden oder sitzen im Gefängnis. Mit Repression allein wird Erdoğan nicht weiterkommen.
Auch wenn viele Kurden weiter von einem eigenen Staat träumen, der für die Türkei, Irak und Syrien nicht infrage kommt, gäbe es andere Modelle. Es muss nicht eine Autonomieregierung wie im Nordirak sein. Mehr kommunale Selbstverwaltung in den kurdisch dominierten Gebieten der Türkei und Syrien wäre sicher eine Möglichkeit. Doch statt gemeinsam mit der Übergangsregierung in Damaskus eine Lösung zu erarbeiten, setzt Ankara erneut auf Gewalt. Eine große Gelegenheit für Frieden wird so vielleicht verspielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen