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Jüdischer Weltkongress in BudapestGegen NPD, Jobbik und „Morgenröte“

Auf seiner Jahrestagung in Ungarn warnt der JWC vor Neonazis in Deutschland, Ungarn und Griechenland. Kritik am ungarischen Ministerpräsidenten Orban nimmt er zurück.

Unter Polizeischutz: Tagungsort des Jüdischen Weltkongresses in Budapest. Bild: Bild: dpa

BUDAPEST afp/dpa | Zum Abschluss seiner Jahrestagung hat der Jüdische Weltkongress (WJC) die Regierungen in Europa zum Verbot rechtsextremistischer Parteien gedrängt. Die Staaten sollten erwägen, Neonazi-Parteien und Organisationen zu untersagen, die die demokratische Ordnung stürzen wollten und Minderheiten bedrohten, erklärte der WJC am Dienstag abend in Budapest. Zudem forderte der Kongress schärfere Gesetze gegen Rassenhass und die Leugnung des Holocaust.

Zu der dreitägigen Hauptversammlung waren 500 Vertreter von mehr als 70 jüdischen Gemeinden in die ungarische Hauptstadt gereist. Der Kongress hatte Budapest bewusst ausgewählt, um gegen einen zunehmenden Antisemitismus in Ungarn zu protestieren.

In einem Bericht, der am Dienstag beim WJC-Plenum vorgestellt wurde, warnte der Jüdische Weltkongress vor einem Erstarken von Neonazi-Parteien in Europa. Der Bericht „Der Aufstieg des Neonazismus im politischen Parteiensystem“ greift drei Beispiele heraus: Die deutsche NPD, die rechtsextreme ungarische Parlamentspartei Jobbik (Die Besseren) und die ultranationalistische „Goldene Morgenröte“ in Griechenland.

Der antisemitische Diskurs, der aggressive Chauvinismus und die anti-kapitalistische und anti-sozialistische Rhetorik dieser politischen Organisationen wiesen frappierende Gemeinsamkeiten mit der Ideologie der nationalsozialistischen NSDAP auf, sagte der Autor des Berichts, der britische Experte Robin Shepherd. „Deshalb ist die Bezeichnung Neonazi-Parteien angebracht.“

Demokraten sollen Nazi-Parteien meiden

Der Bericht empfiehlt unter anderen, diese Parteien zu isolieren. Vertreter der demokratischen Kräfte sollten sich strikt weigern, mit Personen aus diesen Parteien bei öffentlichen Ereignissen zusammenzutreffen oder privaten Umgang mit ihnen zu pflegen.

Das WJC-Plenum war am Sonntag in Budapest zusammengetreten, um ein Zeichen gegen den zunehmenden Antisemitismus in Ungarn zu setzen, wie ihn vor allem die Jobbik vertritt.

Während des WJC-Plenums war der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orban mehrfach wegen der mangelnden Distanzierung von der Jobbik kritisiert worden. Orban hatte beim Eröffnungsdiner am Sonntagabend selbst das Wort ergriffen und in seiner eher unverbindlichen Rede die Jobbik mit keinem Wort erwähnt.

Der wiedergewählte WJC-Präsidenr Ronald S. Lauder relativierte in seinem Schlusswort allerdings die Orban-Schelte. Er habe ein Interview Orbans nicht gekannt, das bereits am vergangenen Freitag in der israelischen Zeitung Jediot Achronot erschienen war. Darin hatte der ungarische Regierungschef die Jobbik als „zunehmende Gefahr für die Demokratie“ bezeichnet. „Ich will hiermit festhalten, dass der Ministerpräsident eine wirklich starke Aussage gegen die Jobbik getätigt hat“, sagte Lauder am Dienstag.

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4 Kommentare

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  • G
    Gonzi

    Und was steckt in Ungarn hinter diesen Untrieben?

     

    Vielleicht ist dies auch eine Frage nach einem Gulasch-Kapitalismus?

  • R
    R.J

    Kritik nicht erlaubt?

     

    In der Regel tagt der Jüdische Weltkongress in den USA oder Israel. Was aber muss man deshalb vor Augen haben, wenn man regelmäßig an solchen Veranstaltungen teilnimmt?

     

    Richtig, das Handeln und die Lage in Israel, wo mehr als eine Partei der Jobbig sehr ähnlich ist, an Radikalität diese auch noch übertrifft.

     

    Und nun erscheint bislang mein Fazit über die Veranstaltung in Budapest nicht, das lautet:

     

    Wo man nicht bereit ist, Israels, insbesondere Netanjahus Politik beim Thema rechter, völkisch tümelnder Gewalt zu betrachten und diese miteinzubeziehen, werden die Forderungen schnell an Glaubwürdigkeit, durch Einseitigkeit und blinde Flecken verlieren.

     

    War das zu sachlich?

  • HK
    Hady Khalil

    Heute kam eine Meldung auf tagesschau 24 das man eine offizielle Arbeitsgruppe einsetzen will, um zu untersuchen wie nach 45 NS Richter weiter tätig waren:

    Ich finde gut das man hier mal forschen will, aber warum nicht richtig. Jetzt machen wir mal einen Arbeitskreis, in 5 Jahren stellen wir unsere Ergebnisse vor, wenn grad auf dem Nachrichtenmarkt viel los ist. Das kriegt dann keiner mit, aber wir können sagen, wir haben was getan. Am 8. Mai gibt man das bekannt? Als ehemaliger Gegner, bzw. die damaligen Alliierten, die heute den Sieg über den Hitlerfaschismus feiern und ihrer vielen Opfer, das heißt, Tote, gefoltert, gedemütigt, Hingerichtet, geflohen…muß diese Alibiveranstaltung wie ein Affront wirken. Wie wäre es stattdessen ein deutsch-israelisches Gemeinschaftsprojekt? Dazu läd man ein paar Massad Agenten ein, die das know how besitzen, das sich diese Arbeitsgruppe erst mühsam erarbeitet. Dabei fasst man das Thema aber in angemessener größe an.Es geht nicht um „ein paar“ aus der Zeit übrig gebliebene Richter, sondern um faschistische Gesinnung in der staatlichen Verwaltung. Die sterben auch nicht aus, sondern tradieren ihre Gesinnung über ihre Nachfolger, im der Polizei, bei Richtern und vor allem in der im geheimen tätigen Sozialbehörde. Die Mossad Agenten sollen auch nicht, um es klar zu sagen Recht vollziehen in ihrer Tradition, sondern ihr analytisches know how zur Verfügung stellen

  • G
    Georg

    Wie heißt es so schön: Jeder kehre vor seiner eigenen Tür.

     

    Im Falle Israels gibts genug zu kehren. Sitzen hier nicht rechtsradikale seit Jahrzehnten im Parlament und in der Regierung.