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Journalisten klagen anWenn Grundrechte stören

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Das Bundespresseamt folgte blind der Empfehlung des Verfassungsschutzes. Der reibungslose Ablauf des Gipfels war wichtiger als die Pressefreiheit.

Proteste beobachten macht einen Journalisten noch längst nicht selbst zum Demonstranten Foto: dpa

C haos herrschte beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg nicht nur auf den Straßen, sondern auch bei den Behörden. Das haben Gerichtsverhandlungen und parlamentarische Sondersitzungen im Laufe der vergangenen zweieinhalb Jahre gezeigt. Mit dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom Mittwoch gegen das Bundespresseamt ist klar: Auch der Entzug der Akkreditierung von 32 Journalist*innen gehört in die Sammlung staatlicher Pannen rund um den G20-Gipfel.

Das Gericht folgte den Klagen der freien Journalisten Sebastian Friedrich und Raffael Heygster und erklärte den Entzug ihrer Akkreditierung für rechtswidrig. Im Fall von Friedrich hatte eine Einschätzung des Berliner Verfassungsschutzes zum Ausschluss vom Gipfel geführt: „Er engagiert sich bzw. hat Kontakt zu gewaltbereiten Gruppen, die zu Protesten gegen G20 mobilisieren.“ Friedrich arbeitete damals bei der bewegungsnahen Monatszeitung Analyse & Kritik.

Es war sein Job, Kontakte zu Gruppen zu pflegen, die zu Protesten mobilisieren. Dass die Pressefreiheit so ­leichtfertig über Bord geworfen wurde, ist verheerend, sichert sie doch auch die demokratische Grundordnung. Verabschiedet man sich mal eben von ihr, ist die Demokratie in Gefahr. Doch offenbar gibt es manchmal andere Interessen, die über diesem Grundrecht stehen: der reibungslose Ablauf eines überzogenen Polittheaters mitten in einer Großstadt. Die Versammlungs- und die Pressefreiheit stören da wohl.

Es ist gut und wichtig, dass die betroffenen Jour­nalist*innen dagegen geklagt haben. Im vergangenen Februar war Friedrich ins Visier von rechten Hetzern geraten, die sein Volontariat beim NDR als Beleg heranzogen, wie linksextrem der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei. Sie verwiesen dafür auch auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes. Das Urteil zeigt:

Das Bundespresseamt hätte der Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht blind folgen sollen. Es hat so gesellschaftliches Misstrauen gegenüber Journalist*innen weiter geschürt und der Demokratie damit keinen Dienst erwiesen.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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1 Kommentar

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  • Wie naiv ist dass denn? Der Entzug der Akrredititerung war kein Fehler, sondern eine statspolitische "Erziehungsmaßnahme". Schon wähered der Hochzeit der Anti-AKW-Bewegung verstießen Polizei und Staat in Hamburg (Hamburger Kessel) bewußt gegen Gesetze. Das Jahre später das Bundesverfassungsgericht die Aktion für rechtswidrig erklärte, ist und war den Behörden egal. Es geht darum, mittels Einschüchterung Widerstand und Berichterstattung abzuschrecken - nach dem Motto: Legal, illegal, scheißegal. Die meisten Journalisten muss man eh nicht einschüchtern, sie käuen unkritisch die offiziellen Meldungen der Polizei- und Staatspressestellen nach - so sieht Artikel 5 Grundgesetz (Meinungsfreiheit für die, die es nicht wissen) in Wirklichkeit aus.