Jordanians Außenminister in Iran: Auf Bittbesuch beim Amtskollegen
Im direkten Krieg zwischen Israel und Iran befände sich Jordanien in der Schusslinie. Der Außenminister des Königreichs plädiert für Deeskalation.
Einen solch hochrangigen Besuch hatte es seit 20 Jahren zwischen der Islamischen Republik Iran und dem haschemitischen Königreich Jordanien nicht gegeben. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind seit Jahren schwierig, und seit Beginn des Krieges in Gaza spitzt sich diese Anspannung weiter zu.
Wiederholt machte Jordanien in den vergangenen Monaten Iran-nahe Gruppen für den Schmuggel von Drogen aus Syrien verantwortlich. Und erst im Mai gaben anonyme jordanische Beamte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters an, einen von Iran erdachten Plan vereitelt zu haben, Waffen nach Jordanien zu schmuggeln. Für „Sabotageakte“, so die Quellen zu Reuters.
Doch die Angelegenheit an diesem Sonntag ist ernst, wie Safadis Blick verrät. Nach der Tötung des Chef des Hamas-Politbüros, Ismail Haniyeh, in einem Gebäudekomplex in Teheran, droht ein Flächenbrand in der gesamten Region. Iran macht Israel für den Mord verantwortlich, das sich dazu bisher nicht offiziell geäußert hat. Einen Tag zuvor hatte eine israelische Drohne den Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in der Hauptstadt Beiruts aus der Luft angegriffen und getötet. Sowohl die iranunterstützen Hisbollah als auch Iran haben Vergeltung angekündigt.
Die Hälfte der Jordanier hat palästinensische Wurzeln
Jordanien befindet sich geografisch zwischen Iran und Israel – und somit in der Linie einer möglichen Konfrontation. Das Land teilt eine über 450 Kilometer lange Grenze mit Israel und dem Westjordanland, im Süden ist es von Saudi-Arabien, im Osten vom Irak und im Norden von Syrien umgeben. Schätzungen zufolge hat mindestens die Hälfte seiner Bevölkerung palästinensische Wurzeln.
Safadi machte also am Sonntag einen letzten verzweifelten Versuch, die Situation zu deeskalieren. Er traf sich mit dem neugewählten iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian, um eine Botschaft des Königs Jordaniens Abdullah II. zur aktuellen Lage zu überreichen. Was genau die Botschaft enthielt, wurde nicht öffentlich.
Safadi sagte jedoch, man wolle die Region vor der Geißel eines regionalen Krieges bewahren und dafür sei ein Ende des Konflikts in Gaza notwendig. So berichtet es die jordanische Nachrichtenagentur Petra. „Mein Besuch in Iran dient der Beratung über die ernste Eskalation in der Region und der Beteiligung an einer ehrlichen und klaren Diskussion über die Überwindung der Unterschiede zwischen unseren beiden Ländern“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters.
Am Montag kam außerdem nach Berichten der russischen Nachrichtenagentur Interfax Sergey Shoigu, Sekretär des Sicherheitsrats Russlands, im Iran an. Auch er soll mit Pezeshkian sprechen.
Jordanien ist ein Partner des Westens
Mitte April hatte Jordanien mehrere iranische Drohnen und Raketen abgefangen, die auf dem Weg nach Israel waren. Die Behörden betonten, man wolle vermeiden, dass Jordaniens Himmel zum Schlachtfeld wird. Ob das in einem Ernstfall erneut geschehen könnte, ist unklar. Wahrscheinlich sei es jedenfalls, sagt der jordanische Geopolitik-Experte Amer Al-Sabaileh. Jordanien ist traditionell ein Partner des Westens in Nahost, US-Truppen sind in dem Land und auf Stützpunkten an seinen Grenzen stationiert.
„Ein Kriegsszenario zwischen Iran und Israel wird Jordanien gewiss in eine riskante Lage bringen und das Land in die Mitte des Konflikts stellen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Iran Jordaniens geografische Lage in einer Konfrontation mit Israel ausnutzt.“ Dies bringe mehrere Sicherheitsrisiken mit sich. Jordanien fürchte etwa, dass das Königreich als proamerikanisches Target zum Ziel werden könnte. Außerdem könnten etwa fehlgeleitete Raketen auf jordanischen Boden fallen, Menschen verletzen oder Gebäude beschädigen.
Jordanien wolle sich aus der Eskalation raushalten, so Al-Sabaileh. Und seine Position, die auch durch die militärische Kooperation mit den USA bedingt ist, erläutern. So sei der Besuch Safadis zu deuten.
Ähnlich sieht es Alex Vatanka, Direktor des Iran-Programms an der Middle East Institute in Washington. „Jordanien ist ein Frontstaat. Es hat viel zu verlieren bei einem regionalen Krieg, auch wegen der Größe seiner palästinensischen Bevölkerung und der Verbindungen zu Israel.“ Amman sei offenbar sehr besorgt und wolle eine „pro-aktive“ Rolle einnehmen, um einen breiteren Krieg zu vermeiden. Dass Jordanien seine Beziehungen zum Iran nun bessern wolle, geschieht jedoch aus der Not heraus – und nicht aus echtem Einvernehmen über die wichtigsten Themen der Region.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin