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Jonas Wahmkow hatte Sichtprobleme in KreuzbergDie Angst vor losen Versprechungen

Kunstnebel wabert durch den Reichenberger Kiez, ein Gabelstapler, gefolgt von rund 200 Menschen, rollt die Straße hinab. Viele mit Blaumann und Gehörschutz, aber auch Kinder, die mit Tiermasken durch die Nebelschwaden springen. „Ratibor 14 bleibt! Ohne uns baut hier niemand!“, schallt es vom Lautsprecherwagen. Selbst im protestgewohnten Kreuzberg war die Demo zum Erhalt des Areals „Ratibor 14“ ein spezieller Anblick.

Derzeit werden die drei Hektar am Landwehrkanal von Handwerksbetrieben, zwei Kitas, einem Wagenplatz und einem Biergarten genutzt. Im verdichteten Kreuzberg ungewöhnlich viel Platz, weshalb der Senat Anfang 2018 die Idee hatte, auf dem Gelände Geflüchtete unterzubringen. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, heißen die Nutzer*innen der Ratibor 14 willkommen – nur würden sie selbst gerne bleiben. „Wo sollen wir hin?“, fragt ein Demoteilnehmer. „In ein Bürogebäude?“

Anderthalb Jahre arbeitete die Initiative Ratibor14 an einem Gegenentwurf: Es gab Planungswerkstätten, eine Machbarkeitsstudie, viele Gespräche. Statt 500 der geplanten Heimplätze in einem „MUF“ nur noch 150, aber als vollwertiger Wohnraum. Die bisherigen Nutzer*innen würden zusammenrücken, könnten aber bleiben: ein „gallisches Handwerkerdorf“, in dem Wohnen, Integration, Handwerk und Soziales vereint wird. „Wir stehen für die Kreuzberger Mischung“, sagt Sprecher Moritz Metz.

Mit wenig Fingerspitzengefühl für partizipative Prozesse beschloss nun die Finanzverwaltung vergangene Woche, die Hälfte der Fläche mit 250 Plätze fassenden MUFs zu bebauen. Zudem soll die gesamte Fläche an die nicht ganz landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Berlinovo gehen.

Es gab Versprechen des Senats, die gewerbliche Nutzung zu erhalten, viele Hand­wer­ker*innen fürchten aber, dass der Verkauf an die profitorientierte Berlinovo mittelfristig Verdrängung bedeutet. „Wir fürchten, dass der Senat seine Versprechen bricht, sobald der Verkauf abgeschlossen ist“, sagt Bootsbauer Jan Rademacher-Stone. Bisher gibt es keinerlei Information über künftige Mietpreise und Konditionen, Bitten um Verträge nach Erbbaurecht schlug die Verwaltung aus. Nicht einmal der Kaufpreis des Geländes sei bekannt. So schnell wie auf der Reichenberger wird sich der Nebel hier wohl nicht verziehen.

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