Jörn Kabisch Angezapft :
Experimentierfreudig, weltoffen, humorvoll – das sind Attribute, die zur Zeit nicht so recht auf Polen zutreffen wollen. Auf die Craft-Beer-Szene des Landes hingegen schon: Es begegnen einem unerwartete Vielfalt, Abenteuerlust kombiniert mit großer Geschmackssicherheit, und – kein Randaspekt – wunderschöne Etiketten, die oftmals baltisch bunt sind, aber völlig ohne folkloristische Biederkeit auskommen.
Mit der neuen Generation von Braumeistern erlebt auch ein Bierstil eine Renaissance, der schon fast in Vergessenheit geraten war: das Grodziskie, nach dem preußischen Namen der Stadt Grodzisk Wielkopolski, südwestlich von Poznan gelegen – in Deutschland ist es etwas bekannter als Grätzer Bier. Schon im 14. Jahrhundert wurde hier ein Bier gebraut, das gleich mehrere Besonderheiten hat: einen niedrigen Alkoholgehalt, starke Hopfung und die ausschließliche Verwendung von geräuchertem Weizenmalz.
Das Ergebnis ist ein leichtes, bitter-rauchiges Bier, das jahrhundertelang wegen seiner Haltbarkeit geschätzt wurde, im Sommer bei der Feldarbeit aber auch willkommener Durstlöscher war. Der hohe, prickelnde Kohlensäuregehalt trug dem Grodziskie, das zeitweise aus Sektkelchen genossen wurde, den Beinamen „polnischer Champagner“ ein. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aber endete die Produktion. Die letzte Brauerei schloss 1993 ihre Tore.
Seit etwa fünf Jahren erlebt das Grodziskie eine neue Blüte. Eine spannende Interpretation ist das Lazy Barry, Gemeinschaftswerk zweier junger Brauereien: Nepomucen aus der Nähe von Wrocław und und AleBrowar von der Ostseeküste. Sie paarten das Bier mit Simcoe, einem fruchtig-harzigen Aromahopfen aus den USA.
Das Lazy Barry fließt strohblond und trüb ins Glas, der Schaum zeigt deutlich: ein Weizenbier. In die Nase dringen Rauch- und Zitrusaromen, man denkt an Zitronenthymian. Entsprechend ist der erste Schluck. Das Bier ist trocken und viel weniger wässrig, als man es bei einem so niedrigen Alkoholgehalt erwarten würde.
Besonders geprägt ist das Lazy Barry freilich von dem an Salami erinnernden Rauchgeschmack. Es blitzen saure und auch salzige Nuancen auf, die dem Bier gemeinsam mit der sehr lebendigen Kohlensäure Körper geben. Im Abgang übernimmt die zitronige Bitterkeit, die sich auch noch etwas länger auf dem Gaumen hält. Da versteht man, warum die Brauer „American Grodziskie“ aufs Etikett geschrieben und die baltisch bunten Farben ausnahmsweise weggelassen haben.
Lazy Barry, AleBrowar/Browar Nepomucen, 3,4 Vol.-%.
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