Jobs für die Angehörigen: Alles Klatt im Schweriner Nahverkehr

Der Chef der Schweriner Verkehrsbetriebe holte seine Familie in den Betrieb. Nun wundern sich Norbert Klatt und Schwerins Bürgermeisterin über Vorwürfe.

Familienmensch: NVS-Geschäftsführer Norbert Klatt (r.) schaut Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dabei über die Schulter, wie der eine historische Straßenbahn steuert. Bild: dpa

HAMBURG taz | Manch Firmenchef rühmt sich, sein Unternehmen sei wie eine große Familie. Der Geschäftsführer der Nahverkehrsbetriebe Schwerin (NVS), Norbert Klatt (56), tut das zu Recht. Klatt brachte seine Frau, seine Tochter, den Sohn und auch den Schwiegersohn in dem kommunalen Unternehmen unter. Jetzt fühlt er sich zu Unrecht dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt.

Bereits seit Ende der 90er-Jahre leitet Klatt das Unternehmen, das in zwei Gesellschaften rund 240 Mitarbeiter beschäftigt. Auch seine Frau arbeitet schon seit 20 Jahren in dem Betrieb, der eine Tochter der Schweriner Stadtwerke ist. Nicht ganz so lang dabei ist die nächste Generation der Klatts. Besonders umstritten ist hier die Karriere von Sohn Michael. Der 31-Jährige stieg innerhalb kurzer Zeit vom Busfahrer zum Abteilungsleiter Verkehr und zum gut dotierten Mitglied der vierköpfigen Unternehmensspitze auf. „Wir haben die Stelle deutschlandweit ausgeschrieben, niemanden gefunden und am Ende hat sich mein Sohn breitschlagen lassen“, erklärt Norbert Klatt diesen Karrieresprung.

Laut NDR gab es bei der Ausschreibung einen Mitbewerber mit offenbar gleicher Qualifikation und deutlich mehr Berufserfahrung. Klatt habe aber entschieden, der Mann sei nicht geeignet – und vergab die Leitungsstelle an Sohn Michael. In internen Leitungsrunden soll Klatt bereits erklärt haben, dass sein Sohn ihn später einmal als Unternehmenschef beerben solle.

Auch im Fall seiner Tochter, die ins Controlling der NVS aufrückte und damit das Finanzgebahren ihres eigenen Vaters überprüft, habe es laut Klatt keine weiteren Bewerbungen gegeben. Und da der Klatt-Nachwuchs sich auch noch als besonders talentiert herausstellte, erhielt er Sonderprämien aus der Firmenkasse. Norbert Klatt betont, auch andere Mitarbeiter hätten solche Gratifikationen bekommen.

Familienfilz? Keine Spur! Jedenfalls nicht für Norbert Klatt. Der kann „nichts Negatives“ in der Beschäftigung von Familienangehörigen erkennen. Im Gegenteil: Nahe Verwandte kennen das Unternehmen gut und engagierten sich stärker.

Segen des Betriebsrates

Schon im Jahr 2000 ließ Klatt seine spätere Einstellungspraxis vorausblickend vom Betriebsrat absegnen. Die Betriebsvereinbarung lautet: „Angehörige ersten Grades von im Unternehmen Beschäftigten sollten bei der Bewertung der Bewerbung unter begünstigenden Gesichtspunkten beachtet werden.“ Im Klartext bedeutet das: Familienangehörige müssen gegenüber Bewerbern ohne familiäre Kontakte ins Unternehmen nicht einmal „vergleichbare Eignung und Befähigung“ nachweisen. Als der Text, der geltendem Recht diametral entgegensteht, Mitte Oktober bekannt wurde, kündigte Klatt die Vereinbarung.

Die Nahverkehr Schwerin GmbH (NVS) ist ein kommunales Nahverkehrsunternehmen, das in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern vier Straßenbahn- und 14 Buslinien betreibt - und eine Fähre.

Das Verkehrsunternehmen NVS ist eine 99-prozentige Tochter der Stadtwerke Schwerin GmbH. Und der Eigentümer der Stadtwerke ist zu 100 Prozent die Stadt Schwerin.

Für die Erbringung der Verkehrsleistung ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der NVS, die Mecklenburger Verkehrsservice GmbH (MVG), verantwortlich.

Der Nahverkehr Schwerin ist Mitglied in der Verkehrsgemeinschaft Westmecklenburg.

Doch er hat nicht nur Familie, er hat auch einflussreiche Freunde. Der CDU-Fraktionschef der Schweriner Stadtvertretung, Sebastian Ehlers, winkte als NVS-Aufsichtsratschef Klatts familienorientiertes Personaltableau durch. Auch die Schweriner Bürgermeisterin Angelika Gramkow (Linke) steht fest zu Klatt. Sie könne „nichts Anrüchiges“ an der Beschäftigung von Familienangehörigen finden, das gebe es in anderen Unternehmen auch, sagt die 55-Jährige, die ihre politische Karriere noch zu DDR-Zeiten in FDJ und SED startete.

Das sieht das Schweriner Innenministerium anders und hat die Kommunalaufsicht eingeschaltet, die einen Bericht Gramkows zum Fall Klatt fordert. Auch müsse Gramkow „die Ordnungsmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung“ der NVS und ihrer Aufsichtsgremien prüfen lassen.

Eines dieser Gremien – der Stadtwerke-Aufsichtsrat – hat die anstehende Verlängerung von Klatts NVS-Geschäftsführervertrag am Dienstag auf Eis gelegt. Für den Schweriner FDP-Vorsitzenden Sascha Priebe sind die Vorgänge „ganz eindeutig Vetternwirtschaft“ und „vielleicht ein Fall für den Staatsanwalt“. Die FDP überlege, „ob wir die sofortige Beurlaubung Klatts“ fordern. Und der Fraktionschef der Unabhängigen Bürger, Silvio Horn, betont: „Die Geschäftsentscheidungen kommunaler Unternehmen dürfen nicht am privaten Frühstückstisch fallen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.