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Jetzt sollen die Juristen ran

Die CDU hatte schwarze Konten in der Schweiz, eine Stiftung in Liechtenstein. War da was?, fragt Helmut Kohl.Langsam werden seine Parteifreunde wütend. Erste Drohungen werden offen ausgesprochen ■ Aus Berlin Karin Nink

„Lassen Sie das so stehen, wie er es gesagt hat. Der weitere Fortgang der Dinge wird möglicherweise Neues erbringen.“

Angela Merkel muss die Nase ziemlich voll haben, wenn sie sich zu der Äußerung hinreißen lässt, Helmut Kohl habe Schäuble wegen der 100.000-Mark-Spende von Schreiber erpresst: „Ja, ich denke schon“, sagte die CDU-Generalsekretärin auf die Frage der Süddeutschen Zeitung (SZ). Merkel fährt fort: „Kohl hat immer versucht, alles auszureizen, was er an Erpressungspotenzial gegen andere hat. Ich glaube nur nicht, dass Kohl damit gerechnet hat, dass wir unser Erpressbarkeitspotenzial von allein auf den Tisch legen.“

Keine Frage, die Partei und ihre Spitze distanziert sich täglich mehr von ihrem alten Vorsitzenden. Zwar wollen weder Merkel noch CDU-Chef Schäuble eine Wertung zu Kohls Rolle abgeben. Aber demonstrativ hat auch niemand den Altkanzler gegen den mehrfach ausgesprochenen Verdacht, er sei über die unlauteren Finanzmachenschaften informiert gewesen, in Schutz genommen. Kohl musste mit seiner überheblichen Art in Fernseh-Interviews schon selber darauf hinweisen, dass er „beinah umgeworfen war“, als er jetzt davon erfahren habe.

Nach den jüngsten Veröffentlichungen über Auslandskonten in der Schweiz und einer Stiftung in Liechtenstein während seiner Amtszeit ist das Vertrauen endgültig dahin. „Jetzt sind die Juristen gefragt“, stellte Präsidiumsmitglied Annette Schavan nüchtern fest.

Die Idee, dass es ein konspiratives System neben der „demokratischen Diktatur“ – wie der sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) Kohls Herrschaftssystem nannte – existiert habe, ist auch für CDU-Leute unvorstellbar. Der Mann, der bis in die Kreisebene hinunter die Stärken und Schwächen seiner Parteimitglieder kannte und sie für seine Zwecke zu nutzen wusste, soll den Finanzbereich völlig unkontrolliert gelassen haben? Unvorstellbar. Zumal Kohl erst jüngst tönte, er habe Kiep sowieso nie getraut. Warum soll dann ausgerechnet Kiep, als Einziger in der CDU die Kontrolle über die Finanzen gehabt haben, so wie Kohl es in einem ARD-Interview darstellt? Kohls „patriarchischer Führungsstil“ (Schäuble) hätte soviel Unabhängigkeit niemals zugelassen.

Auch zu den untertänigen Charakteren von Weyrauch und Lüthje passt die Autonomie nicht, die Kohl ihnen nun zugestehen will: Uwe Lüthje räumt nach SZ-Informationen ein, dass er – und auch Weyrauch – 1986 im Nachgang zur Flick-Affäre für Kohl gelogen hat, um ihn von dem Verdacht der uneidlichen Falschaussage zu entlasten. „Uns hat er es zu verdanken, dass er nach 1986 noch Kanzler bleiben konnte“, zitiert die SZ den ehemaligen Generalbevollmächtigten der CDU-Schatzmeisterei. Grund für die Lüge war ein Ermittlungsverfahren der Koblenzer Staatsanwaltschaft gegen Kohl wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage im Zusammenhang mit der Flick- und Parteienspendenaffäre der 80er-Jahre.

Kohl hatte damals vor dem rheinland-pfälzischen Untersuchungsausschuss gesagt, er habe als Ministerpräsident nicht gewusst, dass die Staatsbürgerliche Vereinigung (SV) eine Tarnorganisation zur Beschaffung von Spenden gewesen sei. Es bestand der Verdacht, Kohl sei selbst am Finanztransfer über die Vereinigung beteiligt gewesen. Vor allem die entlastenden Aussagen von Lüthje, Weyrauch und Kiep haben Kohl damals entlastet. Das Verfahren wurde eingestellt.

Nun wollen die Herrn wohl nicht mehr bedingungslos den Kopf für Kohl hinhalten. Der frühere Finanzberater Horst Weyrauch, der ziemlich stolz gewesen sein soll, als er Kohl duzen durfte, fühlt sich nun zum „Sündenbock“ gemacht. Zwar widerspricht er Kohls Äußerungen nicht explizit, er habe „kein Wort von einem der drei erfahren, dass wir Konten in der Schweiz hatten, und nichts erfahren von der Stiftung in Liechtenstein“. Doch klingt es wie eine Drohung, wenn er in in einem Fernsehinterview sagt: „Lassen Sie das mal so stehen, wie er das gesagt hat. Der weitere Fortgang der Dinge wird möglicherweise ja Neues erbringen.“

Uwe Lüthje macht in dem Gespräch mit der CDU-Spitze und den Wirtschaftsprüfern deutlich, dass er Kohl sehr wohl eingeweiht habe – wenn auch nicht im Detail: So habe er Kohl am Rande eines Parteitages „im Grundsatz“ über Abfindungen an ihn, Weyrauch und Kiep informiert, die sie mit dem Geld von einem aufgelösten Schweizer Konto gezahlt hätten. Kohl habe der Entscheidung zugestimmt. Einzelheiten aber habe er Kohl nicht genannt. Das zeigt, dass selbst, wenn Kiep an Kohl hätte vorbei handeln wollen, Lüthje schon dafür gesorgt hätte, dass Kohl es erfahren habe.

Ob Kiep sich abermals für Kohl opfert, ist fraglich. Vielleicht sollte der Altkanzler einmal über den Satz seines ehemaligen Schützlings Angela Merkel nachdenken: „Seilschaften nutzen nichts in einer Zeit, in der die alten Stricke reißen.“

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