Jens Spahns Maskenbeschaffung: Regierungskoalition verweigert Sondersitzungen
Die Opposition fordert in Sachen Maskenbeschaffung und Jens Spahn parlamentarische Aufklärung und Sondersitzungen. Schwarz-rot lehnt das jedoch ab.

Die Regierungskoalition aus Union und SPD lehnt die Einberufung von Ausschusssondersitzungen zur Maskenaffäre ab. Die oppositionellen Grünen hatten die Sondersitzungen im Gesundheits- und Haushaltsausschuss beantragt, nachdem Teile eines Untersuchungsberichts zur Maskenbeschaffung bekannt geworden waren, die Unionsfraktionschef Jens Spahn schwer belasten.
Spahn, der zu Beginn der Coronapandemie 2020 Bundesgesundheitsminister war, soll demnach ohne Vergabeverfahren persönlich dafür gesorgt haben, dass eine CDU-nahe Firma aus seiner münsterländischen Heimat mit der Logistik bei der Maskenbeschaffung betraut wurde. Dabei ging es um einen Auftrag von 1,5 Milliarden Euro.
Dafür sorgte er gegen die ausdrückliche Warnung des damaligen Bundesinnenministeriums, das das Unternehmen nicht für geeignet hielt. Die Firma war dann tatsächlich mit der Logistik überfordert, mehr als 100 Lieferanten blieben auf ihren bereits an den Bund verkauften Masken sitzen – und klagen nun Schäden in Milliardenhöhe ein. Es geht dabei um eine Gesamtsumme zwischen 2,3 und 3,5 Milliarden Euro. Außerdem soll Spahn gegen die Empfehlung von Fachleuten aus seinem Ministerium den Festpreis für die Masken deutlich höher, auf 4,50 Euro, angesetzt haben.
NDR, WDR und die Süddeutsche Zeitung hatten vergangene Woche 13 Seiten des 170 Seiten umfassenden Untersuchungsberichts veröffentlicht. Das Papier, erstellt von der Sonderbeauftragen Margaretha Sudhof, hatte der ehemalige SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach in Auftrag gegeben. Der Bericht soll dem Ministerium schon seit Januar vorliegen.
Gesundheitsministerin Nina Warken verweigert Freigabe des Berichts
Spahns Parteikollegin und jetzige Bundesgesundheitsministerin Nina Warken verweigert jedoch die vollständige Herausgabe des Berichts an den Haushalts- und Gesundheitsausschuss. Sie kündigte an, in den Ausschüssen lediglich über Erkenntnisse des Berichts informieren zu wollen. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, die vollständige Freigabe sei nicht möglich, weil der Bericht Namen von Beamten enthielte und laufende Gerichtsverfahren betreffe. Wenn der Haushaltsausschuss die Forderung nach dem vollständigen Bericht weiter aufrecht erhielte, werde man dem aber nachkommen. Wann das passieren würde, sei aber unklar.
Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, fürchtet, dass so Informationen verschleiert würden, die Spahn belasten. „Es ist überfällig, dass die Menschen jetzt endlich Aufklärung bekommen und politische Verantwortung für den entstandenen Schaden übernommen wird – zumal dieser für die Steuerzahler*innen immer noch weiter wächst“, so Dahmen. Inzwischen gehe es jenseits der Schadenersatz-Milliarden zusätzlich um etwa 1 Million Euro Verzugszinsen täglich, die an Forderungen anfielen.
Weil die Koalition die Einberufung von Sondersitzungen jetzt verweigert hat, wollen die Grünen den Antrag nun noch einmal bei Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) einreichen, sie müsste diesen dann persönlich ablehnen. Paula Piechotta, für die Grünen im Haushaltsausschuss, sagte dazu: „Dass die Koalition Sondersitzungen von Haushalts- und Gesundheitsausschuss zu den Maskendeals von Jens Spahn verweigert, ist das eindeutige Zeichen, dass sie es mit der Aufklärung eben nicht ernst meint.“ Das Gesundheitsministerium gewinne so Zeit, zu vertuschen und alternative, weichgespülte Berichte zu der Causa Spahn zu schreiben, so Piechotta.
Die Linksfraktion forderte die Einberufung eines Untersuchungsausschusses. Parteivorsitzende Ines Schwerdtner sagte, es sei ein bodenlose Frechheit, dass Jens Spahn trotz aller Enthüllungen über seine Maskendeals weiterhin CDU-Fraktionschef bleiben dürfe. „Wer trotz erdrückender Beweise keine Konsequenzen zieht, arbeitet den Demokratiefeinden in die Hände.“ Für einen Untersuchungsausschuss müssten jedoch mindestens ein Viertel der Bundestagsabgeordneten stimmen. Die Oppositionsparteien Linke und Grüne haben diese Mehrheit gemeinsam nicht, deshalb wäre entweder die Zustimmung der AfD oder einer der Regierungsfraktionen dazu notwendig – und das scheint derzeit nicht in Aussicht zu stehen.
Thorsten Rudolph, haushaltspolitischer Sprecher der SPD sagte der taz, man habe sich innerhalb der Regierungsparteien darauf geeinigt, auf Sondersitzungen zu verzichten und die Sache in regulären Sitzungen zu verhandeln. Dazu würde man jetzt warten, bis der entsprechende Bericht des Bundesgesundheitsministeriums vorliege.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Familienreservierungen bei der Bahn
Völlig überzogene Kritik
Israelische Angriffe auf den Iran
Bomben stürzen keine Diktatur
Veteranentag in Berlin
Danke für Euren Einsatz, Antifa Werkstatt
Eskalation in Nahost
Israel muss Irans Volk schonen
Neonazi-Angriff in Bad Freienwalde
Nur antifaschistische Selbstverteidigung verhinderte Schlimmeres
Debatte um Wehrpflicht
Wehret der Pflicht