piwik no script img

Jedes Kreuzchen ein Touchdown

Die Hamburger Bürgerschaft wirbt für 0,4 Prozent mehr Wähler  ■ Von Judith Weber

Bürgerschaftswahlen sind auch nur ein Sport. „Wer wählt, stellt die Mannschaft auf“, verkündet St. Pauli-Torwart Klaus Thomforde auf seinem Plakat zur Wahl-Werbekampagne des Stadtstaat-Parlaments. Logische Konsequenz: Je mehr Menschen wählen, desto mehr Fans hat das Team anschließend.

200.000 Mark geben die Rathausfraktionen deshalb aus, um mittels Werbekampagne aus möglichst vielen BürgerInnen WählerInnen zu machen. Auf Plakaten, in Radio- und in Kinospots erklären Promis, warum Mitstimmen prima ist. So sollen besonders 18- bis 30jährige Lust auf den Weg zur Urne bekommen. Vor vier Jahren lag deren Wahlbeteiligung um etwa sieben Prozent unter dem Durchschnitt.

Menschen „mit hohen Sympathiewerten“sollen nun die Jugend ködern – zum Beispiel Radio Hamburg-Moderator John Ment („Auch ich wähle Parla-Ment“) oder HH1-Fernsehfrau Jaennie X („Ich wähle, weil ich mir kein X für ein U vormachen lasse“). Und weil der Sportler an sich beim jungen Volk beliebt ist, warb die Bürgerschaft außer Thomforde noch einen weiteren Sportsmann für ihre Kampagne. „Jede Stimme ist ein Touchdown für Hamburg“, verkündet Footballspieler Max von Garnier von den Blue Devils.

1,2 Millionen Touchdowns könnte die Stadt am 21. September erzielen – so viele Menschen sind wahlberechtigt. Zum ersten Mal dürfen auch EU-BürgerInnen mitstimmen. Auch für sie hat die Bürgerschaft das passende Werbe-Poster: „Ich bin eine Wahl-Hamburgerin“, freut sich Sarah Louise Todd, Sängerin beim Phantom der Oper. Ihr Plakat hat, wie alle anderen, schwarze Buchstaben auf weißem Grund, die in Kombination mit Schwarzweiß-Fotos „die Würde des Rathauses repräsentieren“, erklärt Patrick Buchtin, Geschäftsführer der ideengebenden Werbeagentur.

Aufgehängt werden die DIN A2-Poster ab 25. August. „Wenn wir zu früh anfangen, verpufft der Effekt“, befürchtet Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape. Mehr als 70 Firmen, Verbände und Vereine haben schon versprochen, die Kampagne zu unterstützen. Stadtreinigung und HEW berichten in ihren Mitgliedszeitungen, McDonald's gar will seine Hamburger-Buden mit den Postern schmücken.

Wenn am 21. September 70 Prozent des Wahlvolks ihre Vertreter bestimmen, sei die Kampagne erfolgreich gewesen, meint die Bürgerschaftspräsidentin. 1993 gingen 69,6 Prozent der HamburgerInnen zur Wahl. 220.000 Mark für 0,4 Prozent mehr Stimmen scheinen Pape nicht zu teuer: „Das ist mehr Beteiligung als beim letzten Mal – realistisch betrachtet ist das schon ein Ziel.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen