■ Querspalte: Jeder darf mal
Wenn's um das Ding geht, das „zentrales Holocaust-Denkmal in Berlin“ genannt wird, fällt den Landsleuten ein Geniestreich nach dem anderen ein. Jetzt hat Klaus von Dohnanyi vorgeschlagen, auf dem Gelände den „historischen Kniefall Willy Brandts in Warschau“ zu zeigen. Er stelle sich eine „schlichte Fläche“ vor, so Dohnanyi, auf der „skizzenhaft eine Replik der Gedenkstätte des Warschauer Gettos“ zu sehen sei. Dort solle ein kniender Metall-, Gips- oder WachsWilly aufgestellt werden.
Eine Findungskommission wird in diesen Tagen über die noch zur Debatte stehenden Entwürfe beraten und möglicherweise eine Entscheidung treffen. Wenn nun Dohnanyi in einer Rede vor der „Enquete-Kommission des Bundestages zur Überwindung der Folgen der SED-Diktatur“ mit dem Plan zu einem Willy-Denkmal aufwartet, dann will er vor allem eines – sich und die Partei wichtig machen. Als hätte er nichts Besseres zu tun. Was machen überhaupt die anderen Polit-Faulenzer? General Hintze zum Beispiel hat zu dem Thema bislang die Klappe gehalten. Na, Pastor, wie wär's mit einem knackigen Vorschlag? Eine wetterfeste Silikon-Plastik von Adenauer. Konny sitzt mit gefalteten Händen im Luftschutzbunker von Köln. Titel: „Ein deutscher Demokrat betet für den Frieden in der Welt.“
Das Ärgerliche an der Diskussion um die Realisierung des Gedenkortes besteht darin, daß jeder ungefragte Ideenlieferant den ebenfalls nicht gefragen Mitbewerbern vorwirft, ein schlechter Trauerarbeiter zu sein. Durch „parkartig angelegte Gedenkstätten werden die Dinge formalisiert“, meckert Dohnanyi. Er fordert eine „Form des Erinnerns“, die sich an „persönlichen Einzelschicksalen“ orientiere, um „ein Fühlen zu ermöglichen“. Wie das? Wünscht der Mann den kollektiven Kniefall vor einer Willy-Statue? Alles ist möglich. Der Slogan einer Berliner Firma, die schlechtes, aber beliebtes Bier produziert, lautet bekanntlich: „Was gut ist, setzt sich durch.“ Carsten Otte
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