Jean-Claude Juncker geht: „Auf Europa aufpassen“
Am Samstag hat der EU-Kommissionschef seinen letzten Tag, ab Dezember übernimmt Ursula von der Leyen. Davor schwelgt er noch in Erinnerungen.
So erzählte er von einer bisher unbekannten Abhör-Aktion aus seiner Zeit als luxemburgischer Ministerpräsident. 1997 war das, Juncker war zu Besuch in Paris und telefonierte mit US-Präsident Bill Clinton. Es ging um ein Problem zwischen den Flugzeugbauern Airbus und Boeing.
Das Gespräch war streng vertraulich – doch Frankreichs Staatschef Jacques Chirac hörte mit, was Juncker auf seinem alten Nokia-Telefon sagte. Er sei „sehr überrascht“ gewesen, als Chirac ihn tags drauf auf das Telefonat angesprochen habe, berichtete Juncker nun.
„So, wie Du Clinton geantwortet hast, ist genau die Art und Weise, wie die Europäer mit den Amerikanern sprechen müssen“, habe Chirac ihn damals gelobt. Juncker lächelte zufrieden – und schob nach, dass er heute natürlich ein besseres, abhörsicheres Handy habe.
Ein liebender Familientherapeut
Zuvor hatte der Luxemburger dem Internetportal Politico Einblicke in sein Denken gewährt. Juncker durfte sogar selbst zur Feder greifen und den täglichen Newsletter gestalten, der sich seiner Nähe zur EU-Kommission rühmt und von Konzernen wie Google gesponsert wird.
Europa sei „die große Liebe“ seines Lebens gewesen, schrieb er. Angesichts der vielen Streitigkeiten in der EU habe er sich in seinem Job als Kommissionschef „oft wie Europas Familientherapeut“ gefühlt, „der versucht, alle glücklich zu machen und an Bord zu halten“.
Enttäuscht zeigte sich Juncker, dass die EU-Chefs Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien blockiert haben, obwohl diese alle Kriterien erfüllt hätten. „Unsere Schwäche liegt darin, dass wir unsere Versprechen nicht halten“, schrieb Juncker in Politico. Es war ein Seitenhieb auf Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der sein Veto eingelegt hatte.
Jean-Claude Juncker, EU-Kommission
Juncker teilte aber auch gegen Kanzlerin Angela Merkel aus. Nur mit äußerster Kraft sei es ihm 2015 gelungen, den von Merkel und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble geplanten Rauswurf Griechenlands aus der Eurogruppe zu verhindern. Sieben Monate, 16 Eurogruppen-Treffen und vier Eurogipfel habe ihn das gekostet.
Zeit, das Feld zu räumen
Aber der Kampf habe sich gelohnt: „Der Euro und ich sind die einzigen Überlebenden von Maastricht“, erklärte Juncker in Anspielung auf den Maastricht-Vertrag, der den Grundstein für die Währungsunion gelegt hat. Doch nun sei es Zeit, das Feld zu räumen und sich auszuruhen.
„Ich bin froh zu gehen“, schloss Juncker – denn der Job des Kommissionspräsidenten sei ein Knochenjob. Am Samstag ist sein letzter Tag, am 1. Dezember übernimmt von der Leyen. Sie soll „auf Europa aufpassen“, sagte Juncker – und ging.
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