Jan Böhmermanns erste Kunstaustellung: Das „t“ ist nach rechts gerückt
In Düsseldorf zeigt Jan Böhmermann seine Ausstellung „Deuscthland“. Eine Reise per Virtual-Reality-Brille durchs Führerhauptquartier.
Viel interessanter als die Frage, was die Ausstellung „Deuscthland“ von Jan Böhmermann und der bildundtonfabrik (btf) zeigt, ist eigentlich die Frage, warum es sie überhaupt gibt. Warum versucht sich ein Satiriker, dem mit dem „Neo Magazin Royale“ eine regelmäßige Fernsehsendung zur Verfügung steht und dessen YouTube-Videos teils mehr als 25 Millionen Mal geklickt werden („Polizistensohn“), an einem Format, das wesentlich weniger publikumsträchtig ist?
Ein paar Journalisten, die im Vorfeld nach einem Interview gefragt oder sonst wie genervt haben, dürfen es auf einer quasi geheimen Presserunde am Eröffnungstag von Böhmermann selbst erfahren. Beim Rundgang turnt er im blauen Kapuzenpulli mit seinem Museumspublikum im knapp bemessenen Ausstellungsraum des Düsseldorfer NRW-Forums herum, stellt sich persönlich vor („Ich bin der Jan“) und entschuldigt sich für Exponate, die noch nicht richtig funktionieren: „Das Internet ist hier drin einfach zu schlecht.“
Deshalb ist es zum Beispiel noch nicht möglich, im Meinungsautomaten seine Stimme abzugeben: Schuldig oder unschuldig? Israel oder Palästina? Familie oder Karriere? Drückt der Besucher einen Button, soll der Automat eigentlich ein Foto von ihm machen und samt Entscheidung bei Twitter posten. Tja, klappt noch nicht. Im Laufe des Donnerstags scheint das allerdings behoben, zumindest spuckt der Twitter-Account @deuscthland diverse solcher Fotos aus.
Mit dem Internet hapert es zu diesem Zeitpunkt auch noch im „Rechtsfreien Raum“, wo Böhmermann und die btf das strafrechtliche Verfahren und die öffentliche Diskussion um das Erdoğan-Gedicht zu Kunst gemacht haben. Der Besucher soll hier unter anderem auf Monitoren die aktuelle Rechtslage des Satirestreits auf der Internetseite des Landgerichts Hamburg einsehen können und die Bundestagsdebatte vom 12. Mai 2016, in der ein Auszug von Böhmermanns Moderationstext vorgetragen wurde.
Ein Herz, eine erhobene Faust, ein Zwinker-Smiley
Dass zum Start das Internet streikt, gehört wohl nicht zur geplanten Inszenierung der Ausstellung, berührt aber einen Kern ihres Konzepts: Eine Vielzahl der Kunstwerke ist dem virtuellen Diskursraum entnommen, durch den Jan Böhmermann und sein redaktionelles Team sich tagtäglich arbeiten, um neue Absurditäten und Monstrositäten zutage zu fördern. Die Installation „Neuland“ etwa besteht aus einem historischen Nadeldrucker, der auf Endlospapier angeblich in Echtzeit die Tweets von 2.072 deutschen Amts- und Mandatsträgern protokolliert.
Die jüngste Arbeit, ein „Wand-Tattoo“, ist ein Gedicht im erodierten Sprachgestus der sozialen Medien, überschrieben mit „chris tall nacht 9-11 in den drunterkommentaren“. Hiermit bezieht sich Böhmermann auf einen Auftritt des Comedians Chris Tall, der sein Publikum in Köln anheizte mit dem Satz: „Lasst uns die Bude abfackeln – jetzt ist Chris-Tall-Nacht!“, und inszeniert sich selbst als Künstler aus Dringlichkeit, der nachts mit viereckigen Augen vor den Bildschirmen sitzt und nicht glauben kann, was er liest und sieht. Sein kleinstes Ausstellungsstück heißt „Mantra“ und zeigt drei mit Kuli auf zerknittertes Papier geschmierte Emojis: ein Herz, eine erhobene Faust, ein Zwinker-Smiley. Man kann es als Selbstporträt lesen: Böhmermann als Witzereißer, kämpferischer Aufklärer – und sein Herz schlägt links.
Vom Internet, und damit der Welt des Teilens und Kommentierens, ist der Ausstellungsbesucher allerdings abgeschnitten. Den Eingang bildet ein Kontrollhäuschen, an dem er Smartphones, Kameras und Aufnahmegeräte abgeben muss. „Das hat auch mit Eitelkeit zu tun“, sagt Böhmermann. „Wir wollten der Ausstellung nicht das Neue nehmen, indem ihre Bilder auf allen Kanälen geteilt werden.“ 250 Fächer für Smartphones gibt es – das sei die „Obergrenze“ an Menschen, die die Ausstellung gleichzeitig besuchen können.
Am Kontrollhäuschen muss der Besucher außerdem entscheiden, ob er sich in der linken Reihe für „Deutsche“ oder rechts als „Ausländer“ anstellt. Die Journalisten warten fast ausschließlich links – was ein diskussionswürdiges Bild der deutschen Medienlandschaft zeichnet. Hier schafft die Schau also schon in ihrer Eingangssituation, woran sich viele andere erfolglos versuchen: Diskurse anzustoßen.
Angela Merkels Outdoorkleidung
Ansonsten ist „Deuscthland“ (Zitat Böhmermann: „Das t ist nach rechts gerückt“) weder der ganz große Wurf noch die schwere Provokation. Böhmermann bezeichnet sie selbst als „Blick in den Maschinenraum“ der btf, seiner Produktionsfirma. Sie versammle Ideen, die sich über Jahre angesammelt und nicht ins Fernsehen gepasst hätten.
„Deuscthland“ ist noch bis zum 4. Februar im NRW-Forum in Düsseldorf zu sehen. Begleitet werden soll die Ausstellung von diversen Abendveranstaltungen mit Böhmermann und Cohn.
Einige Werke sind allerdings direkt mit den Arbeiten fürs Fernsehen verknüpft: die virtuelle Fahrt durch den „Reichspark“ zum Beispiel, das fiktive Projekt eines NS-Erlebnisparks, dem Böhmermann seine vorletzte Sendung im Stil einer Dokumentation gewidmet hat. Der Ausstellungsbesucher fährt mit Kopfhörern und einer Virtual-Reality-Brille durch Führerhauptquartier und Führerbunker, erlebt die Schlacht um Stalingrad und die Bombardierung Dresdens. „Das Reichspark-Projekt so auszuformulieren ist hart an der ethischen Grenze“, sagt er, „deshalb haben wir es im Ausstellungskontext gemacht und nicht im Fernsehen.“
Auch die Ausstellung von Angela Merkels Outdoorkleidung – Karohemd, beige Kappe, beige Hose, braune Wanderschuhe – spielt im Grenzbereich zwischen Realität und Fiktion, den Böhmermann und die btf mit frisch verlängertem Vertrag beim ZDF noch stärker beackern wollen: Ist das wirklich die Kleidung der Kanzlerin, wie ein Dokument aus dem Kanzleramt beweisen soll? Wird hier also wirklich Macht greifbar, fassbar gemacht?
Und um zurück zur eingangs gestellten Frage zu kommen: Warum überhaupt diese Ausstellung? Jan Böhmermann erklärt es mit einem Vergleich: „Wenn Fernsehen machen wie Bahnen schwimmen ist, dann ist das hier wie ein Sprung ins Mittelmeer.“ Die Freiheit der Arbeit sei im musealen Kontext noch größer, die Werke beständiger. Im Tagesgeschäft der TV-Produktion werde eben vieles mit der heißen Nadel gestrickt und durch die Forderungen der Aktualität begrenzt. „Außerdem macht es heute keinen Sinn mehr, sich auf ein Medium zu begrenzen. Es macht Spaß, und ich habe Lust darauf, rauszugehen.“
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