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Jamaika verhandelt über RüstungZivile Instrumente stärken

Der Militäretat steht auf dem Sondierungsprogramm. Die Differenzen sind elfstellig. Auch Rüstungsexporte sind ein Streitfall.

Heiß begehrt: Leopard-Panzer made in Germany Foto: dpa

Berlin taz | Prozentrechnen im Haus der Parlamentarischen Gesellschaft: Bei den Jamaika-Sondierern steht am Donnerstag unter anderem die Außen- und Verteidigungspolitik auf dem Programm. Zentraler Streitpunkt ist dabei der Militäretat und die Frage, ob Deutschland mittelfristig 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Bundeswehr stecken soll.

Das Verteidigungsbudget müsste dafür von derzeit rund 37 Milliarden Euro auf über 60 Milliarden Euro steigen. CDU und CSU möchten dieses Ziel langfristig erreichen, die Grünen warben in ihrem Wahlprogramm dagegen für Abrüstung. Die FDP wiederum schlägt den Sondierungspartnern eine dritte Zielmarke vor: Sie will drei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigungs-, Entwicklungs- und Außenpolitik zusammen ausgeben.

Grob überschlagen müssten dafür die Etats der drei Ressorts (derzeit rund 50 Milliarden Euro) mehr als verdoppelt werden. Ein ehrgeiziges Ziel, zumal sich die Sondierungsparteien bereits darauf geeinigt haben, keine neuen Schulden zu machen.

„Die Frage der Finanzierung werden wir noch behandeln“, sagte FDP-Verhandler Alexander Graf Lambsdorff der taz. „Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, das im nächsten Haushaltsjahr zu machen, sondern um eine schrittweise Entwicklung bis 2024.“

Aber auch wenn die Finanzierung geklärt wäre: Die Grünen sehen den Drei-Prozent-Mix nicht als Kompromiss an. „Die absurde Forderung, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, wird nicht dadurch besser, dass man Verteidigungsausgaben mit Geldern für Entwicklung und humanitäre Hilfe in einen Topf wirft“, sagte der grüne Verteidigungsexperte Tobias Lindner der taz. Er befürchte, dass die „massiven Aufwüchse beim Militär“ durch die Zusammenfassung zulasten der zivilen Instrumente gingen: „Ich will eine trennscharfe Debatte und verfolge das Ziel, die zivilen Instrumente zu stärken.“

Waffenexporte für Kriesengebiete

Uneinig sind sich die Parteien nicht nur in der Budgetfrage. Beim Thema Rüstungsexporte werben die Grünen zum Beispiel seit Langem für ein neues Gesetz, strengere Hürden und mehr Transparenz. Union und FDP waren bislang dagegen – obgleich sich die Liberalen jetzt offen geben. „Rüstungsexporte in Krisenregionen und Spannungsgebiete darf es nicht geben“, sagte FDP-Mann Lambsdorff. „Allerdings ist die Frage insgesamt alles andere als einfach. Wenn konkrete Vorschläge eingebracht werden, sind wir gerne bereit, darüber zu sprechen.“

Weitere Streitpunkte sind unter anderem die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr (Union dafür, Grüne dagegen), die Zukunft der Russlandsanktionen (Union und Grüne wollen sie aufrechterhalten, die FDP ist sich nicht ganz sicher) und die Auslands­einsätze der Bundeswehr. Mit Letzterem hat keine der Jamaika-Parteien ein grundsätzliches Problem. Einzelne Missionen lehnen die Grünen aber ab. Die Gespräche darüber werden sich wohl bis in mögliche Koalitionsverhandlungen ziehen.

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9 Kommentare

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  • Das Gleichgewicht des Schreckens, wie es früher hieß, ist doch längst keines mehr.

     

    Die NATO gibt bereits jetzt ein Mehrfaches für Rüstung aus wie Rußland.

     

    Oder gegen wen sollen wir uns mit der hochgerüsteten Bundeswehr verteidigen?

     

    Viel wichtiger (und billiger) wäre es, zivile Kristenprävention zu finanzieren, und zwar weltweit

    • @Erich Lerch:

      Von welcher hochgerüsteten Bundeswehr reden Sie denn? Wir können den Jungs und Mädels die wir nach Mali geschickt haben, keine Hubschrauber zum Close Air Support schicken. Uns fehlen Ersatzteile, Piloten die auf dem Hubschrauber genügend Flugstunden haben und der Tiger an sich, naja ist eben ein Gemeinschaftsprojekt und das zieht sich durch die ganze BW. Und die viel billigere zivile Krisenprävention, da habe ich ja schallend gelacht! Wir haben Milliarden im Kosovo und in Bosnien versenkt, da wird nichts besser dadurch. Inzwischen kommen die Leute zu uns und wir nennen sie Wirtschaftsflüchtlinge, waren Sie mal da? Da würde ich auch weg wollen!

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        ...und wohin gehen jedes Jahr die Milliarden Euro für die sog. Bundeswehr? Wer wird fett und fetter?!

        Aber dann jammern "...oh, nicht mal einen vernünftigen Panzer haber wir, Hubschrauber gibt's auch keine mehr und dann noch die Gewehr, alle schießen sie um die Ecke" und noch mehr Milliarden fordern.

      • @Sven Günther:

        Mal ein Beispiel deutscher "Entwicklungshilfe." Steinmeier hat in Afghanistan einen Trinkwasserturm mit entsprechender Bewässerungsanlage in Herat eingeweiht, angeblich ein deutsches Entwicklungsprojekt. Allerdings stand das Ding da schon seit Jahren, gebaut mit Geld der Aga Khan Stiftung, wie auch die ehemalige MdB Elke Hoff bestätigte, die war schon Jahre vorher da gewesen. Das sind oft Fata Morgana Projekte, machen da Warlords und Kriminelle und bei uns Entwicklungshelfer reich und sonst nichts.

  • Schön, daß anstelle dieser nebligen "2% des BIP für Rüstung" mal echte Zahlen auf den Tisch kommen.

    Ja, die von den Amerikanern geforderten Rüstungsausgaben, die "Kanonen-Uschi" nur zu gerne bereitstellen würde, liegen bei 60 Mio. (+23 Mio.) Euro. Das sind 18% (+7%) des Bundeshaushalts.

    Eine solche Steigerung ist praktisch nur möglich, wenn das Sozialressort Federn läßt. Im Wahlkampf habe ich kein Wort davon gehört.

  • Wir haben die Wahl: Enweder mit Trump. Dann müssen wir das 2%-Ziel akzeptieren und entsprechend mehr für Rüstung ausgeben. Oder gegen Trump. Dann müssen wir darauf setzen, im europäischen Rahmen ohne die USA unsere Sicherheit selbst zu gewährleisten. Dafür brauchen wir erst recht mehr Geld für Rüstungsausgaben. So oder so, höhere Rüstungsausgaben sind wohl unvermeidbar.

    • @yohak yohak:

      Das klingt ja, als würde ein Land nur darauf warten, dass Deutschland bei den USA in Ungnade fällt, um es dann zu anektieren. Was mir vollkommen konstruiert vorkommt. Insbesondere da Deutschland schon jetzt, gerade im Vergleich zu den geografisch nahen Staaten, ein sehr hohes Rüstungsbudget hat. Eine Budgetsteigerung ist absolut vermeidbar. Und sollte die Bedrohungslage wirklich so bedenklich sein, währe es erstmal folgerichtig, die Exporte von Rüstungsgütern zu unterbinden. Nicht dass am Ende Deutschland mittels deutscher Kriegswaffen erobert wird.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      ...wer oder was ist ein 'Trump'?

    • @yohak yohak:

      Warum? GB, F, I und D geben ca. zweimal so viel fürs Militär aus wie Russland, Die NATO incl. USA ca. 10x so viel. Okay - wenn es gilt, die Rohstoffversorgung zu sichern, geht es gegen ca. 5 Mrd. Erdenbürger. Da müssen "wir" schon mal die Folterinstrumente und Lager in ausreichender Zahl bereit stellen.