Jahrestag des Bombenangriffs auf Dresden: Gebremster Naziaufmarsch
Rund 400 Teilnehmer hatte die geschichtsrevisionistische Veranstaltung in Dresden. Ebenso viele Antifaschisten stellten sich ihnen entgegen.
Nach 1990 ist das Gedenken an die Zerstörung der Dresdner Innenstadt durch britische und amerikanische Bomber in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 zunehmend durch nazistische und geschichtsrevisionistische Kräfte im Geiste der NS-Propaganda missbraucht wurden. Einen Höhepunkt erreichten diese Aufmärsche in den Jahren 2008 bis 2011, als bis zu 7000 Nazis aus ganz Europa durch die Stadt zogen. Unterstützung von außen und eine Formierung der Dresdner Stadtgesellschaft drängten diese rechten Kräfte erfolgreich zurück.
Als Anmelder fungierte in diesem Jahr eine Einzelperson und nicht wie früher die Junge Landsmannschaft Ostpreußen. Ein Transparent am Lautsprecherwagen war im Namen der rechtsextremen „Freien Kräfte Sachsen“ verfasst. Dem Aufruf folgten zu 90 Prozent Männer überwiegend jüngeren Alters. Einige von ihnen trugen Mützen in den russischen Farben Blau-Weiß-Rot. Auch eine russische Flagge wurde geschwenkt, ebenso eine iranische und eine weiß-rote mit dem Sachsenross. Transparente verrieten, dass Teilnehmer auch aus verschiedenen Regionen Sachsens angereist waren.
Ausgerechnet zu Klängen von Richard Wagners heiterstem Frühwerk „Rienzi“ im italienischen Stil setzte sich der Trauerzug mit etwa einer Stunde Verspätung gegen 15 Uhr schließlich doch noch in Bewegung. Die Route sollte angeblich „entlang der Bombenkrater“ durch die Innenstadt führen. Dagegen hatte ein Bündnis „WiEdersetzen“ an einigen Brennpunkten mobilisiert. Zumindest am frühen Nachmittag kam es aber noch zu keinen Kollisionen. 19 Dresdner Kulturinstitutionen hatten an zentralen Punkten der Stadt außerdem Plakate installiert.
Die Polizei war mit mehr als tausend Einsatzkräften in der Stadt präsent. Sprecher Thomas Geithner äußerte sich optimistisch, dass es nicht zu Ausschreitungen kommen werde. Die Stadt Dresden hatte zuvor den Gebrauch des Begriffes „Bombenholocaust“ in jeglicher schriftlicher oder mündlicher Form untersagt. Auch hinsichtlich der Marsch- und sogar Kleiderordnung gab es strenge Auflagen. An Spruchbändern der auf dem Lautsprecherwagen mitgeführten Kränze der Nazis fiel die zurückhaltende Wortwahl auf.
Am Montagabend, dem eigentlichen Jahrestag der Zerstörung, werden zivile Gedenkveranstaltungen wie die Menschenkette oder ein Konzert mit Bachs h-Moll-Messe in der Semperoper von den üblichen Montagskundgebungen der Querdenker oder den Pegida-Resten überlagert. Auch dagegen ist Widerstand angekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau