Jahrestag der Samtenen Revolution: Regierungskritische Proteste in Tschechien und der Slowakei
In zahlreichen Städten gehen Regierungsgegner auf die Straße und protestieren gegen Fico und Babis. Sie fordern mehr Unterstützung für die Ukraine.
afp/dpa | Anlässlich des Jahrestags der sogenannten Samtenen Revolution vor 36 Jahren sind in Prag tausende Menschen gegen den Kurs der künftigen Regierung unter dem Rechtspopulisten Andrej Babis auf die Straße gegangen. Zahlreiche Menschen versammelten sich am Montag in der historischen Altstadt und skandierten Slogans wie „Tschechien ist nicht zu verkaufen“ und „Werft Babis weg“, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Auch in der Slowakei wurden für Montagabend Proteste erwartet.
Die Samtene Revolution hatte 1989 die kommunistische Führung in der Tschechoslowakei zu Fall gebracht. 1993 teilte sich das Land friedlich in die Tschechische Republik und die Slowakei.
In Tschechien richteten sich die Proteste maßgeblich gegen den Milliardär Babis, der bei der Parlamentswahl vor einem Monat als Sieger hervorgegangen war. Der Rechtspopulist und Anhänger von US-Präsident Donald Trump war bereits von 2017 bis 2021 Regierungschef. Nach der Wahl schmiedete er eine EU-skeptische Regierungskoalition mit der rechtsextremen Partei SPD und der rechtsgerichteten Autofahrerpartei
Proteste in Bratislava gegen Fico
In der Slowakei demonstrierten zehntausende Menschen gegen die Regierung des linksnationalen Ministerpräsidenten Robert Fico. Aufgerufen hatten dazu mehrere Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen wie die Initiative „Mier Ukrajine“ (Friede der Ukraine).
An der größten Kundgebung auf dem Freiheitsplatz in Bratislava gegenüber dem Amtssitz der Regierung nahmen nach Angaben der Organisatoren trotz Regenwetters bis zu 50.000 Menschen teil. Sie gedachten des Sturzes der kommunistischen Diktatur und forderten mehr Unterstützung für die Ukraine.
Vor allem aber skandierte die Menge Parolen wie „Wir haben genug von Fico!“ und hielt Transparente in die Höhe, die ein Ende der von Fico geführten Dreiparteienregierung verlangten. Der Regierung warfen sie Gefährdung der Demokratie vor und kritisierten aktuelle Sparmaßnahmen zur Bekämpfung der hohen Staatsschulden.
Der liberale Oppositionsführer Michal Simecka, dessen Partei in jüngsten Umfragen bereits vor Ficos Partei Smer-SD (Richtung Sozialdemokratie) führt, zog in seiner Rede eine Parallele zwischen damals und heute: Mut und die Sehnsucht nach Freiheit hätten die Demonstranten 1989 zu ihren am Ende erfolgreichen Protesten motiviert.
„Das sind genau die zwei Werte, die die Kommunisten nicht verstanden haben und die auch Robert Fico heute nicht versteht. Deshalb wird er ebenso verlieren, wie die Kommunisten verloren haben“, zitierte die Nachrichtenagentur TASR den Oppositionspolitiker Simecka.
„Kreidenrevolution“ von Jugendlichen
An den Tagen zuvor hatte ein lokaler Schülerprotest mediale Aufmerksamkeit auch im Ausland geweckt. Vor einem geplanten Besuch Ficos in einem Gymnasium der nordslowakischen Stadt Poprad hatte ein Schüler mit Kreide eine derbe Kritik auf den Boden vor dem Eingang geschrieben. Ein Video zeigt, wie er dabei von einer vermutlich zur Schule gehörenden Person kritisiert, aber von einer ebenfalls anwesenden Oppositionspolitikerin in Schutz genommen wird.
Dass sich Regierungspolitiker daraufhin empörten, die Opposition schrecke nicht vor dem Aufhetzen Jugendlicher zurück, löste erst recht eine Welle von Unmut aus und mündete in den Internetaufruf zu einer „Kreidenrevolution“. Das Internet ist seither voll von Bildern mit Kreide geschriebener Parolen gegen die Regierung
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