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Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen„Sterben kein akzeptables Risiko“

54 Jour­na­lis­t:in­nen wurden 2024 getötet – die alarmierende Bilanz von Reporter ohne Grenzen. Weltweit steht die Pressefreiheit unter Druck.

Kulala Lumpur, Malaysia, Welttag der Pressefreiheit: Hamza al-Dahdouh kam im Januar bei einem Luftangriff in Gaza ums Leben Foto: Fazry Ismail/epa

In Deutschland scheint es fast selbstverständlich, dass Jour­na­lis­t:in­nen ihrer Arbeit sicher und ungehindert nachgehen können. Doch das Jahr 2024 zeigt, dass diese Annahme zunehmend realitätsfern ist. 54 Jour­na­lis­t:in­nen verloren in diesem Jahr weltweit ihr Leben – so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr. Rund 30 Prozent dieser Todesfälle ereigneten sich allein im Gazastreifen. Was bleibt, ist eine ernüchternde Erkenntnis: Wer die Wahrheit sucht, lebt oft gefährlich.

Reporter ohne Grenzen (RSF) beschreibt Gaza aktuell als die gefährlichste Region der Welt für Journalist:innen. Seit Oktober 2023 starben dort über 145 Reporter:innen, 35 von ihnen direkt bei der Ausübung ihrer Arbeit. Schutzwesten und Presseausweise scheinen in solchen Konflikten nur noch symbolischen Charakter zu haben.

Sie schützen nicht, sondern machen Jour­na­lis­t:in­nen oft erst recht zu Zielen, kommentiert auch RSF. Der Schutz von Zi­vi­lis­t:in­nen und Journalist:innen, der im Völkerrecht verankert ist, scheint zunehmend zu einer leeren Hülle zu verkommen.

Sterben ist kein akzeptables Risiko

„Sterben ist kein akzeptables Risiko im Journalismus“, heißt es im Jahresbericht weiter. Die Zahl der Angriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen ist alarmierend und zeigt, dass Berichterstattung unter schwierigen Bedingungen zu einer immer gefährlicheren Tätigkeit wird – und der Tod tatsächlich ein Berufsrisiko darstellt. Dies gilt nicht nur für Kriegs­re­por­te­r:in­nen an der Frontlinie, sondern auch für diejenigen, die in autoritären Systemen über Korruption, Machtmissbrauch oder soziale Missstände berichten.

Die Problematik endet allerdings nicht mit den Toten. Die Bedrohung der Pressefreiheit hat viele Gesichter und ist ein globales Phänomen. Über 550 Jour­na­lis­t:in­nen befinden sich derzeit weltweit in Haft, die meisten von ihnen in China. Myanmar, Israel, Weißrussland und Russland folgen. Diese Länder stehen regelmäßig im Fokus von Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, weil sie kritische Berichterstattung systematisch unterdrücken.

In diesen Staaten gilt Pressefreiheit nicht als notwendige Grundlage demokratischer Prozesse, sondern als Störfaktor, der aus Sicht der Machthaber beseitigt werden muss. Wer sich dem widersetzt, riskiert nicht nur seine Freiheit, sondern oft auch sein Leben.

Siegt das Schwert über die Feder?

In Deutschland hingegen scheinen die Gefahren weit entfernt. Doch die vermeintliche Sicherheit darf nicht über die globale Bedeutung der Pressefreiheit hinwegtäuschen. Wenn Jour­na­lis­t:in­nen in Konfliktgebieten wie dem Gazastreifen oder in Staaten wie Russland und China daran gehindert werden, ihre Arbeit zu machen, betrifft das letztlich alle, da ihre Berichterstattung darüber entscheidet, welche Informationen verfügbar sind.

Einen kleinen Lichtblick bieten die „10 Freilassungen des Jahres“. Darunter sind Jour­na­lis­t:in­nen aus Ländern wie dem Iran, dem Kongo oder Indien, die nach teils jahrelanger Inhaftierung in Freiheit sind. Viele von ihnen wurden ursprünglich für ihre Berichterstattung über regimekritische Themen verhaftet – oft unter fadenscheinigen oder konstruierten Anschuldigungen.

Es heißt, die Feder sei mächtiger als das Schwert. Doch angesichts der wachsenden Risiken für Jour­na­lis­t:in­nen stellt sich die Frage, wie lange die Feder bestehen kann, wenn immer mehr Jour­na­lis­t:in­nen der Gewalt zum Opfer fallen.

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