: Ja, es gibt weibliche Bauarbeiter
Gleichstellung ist im deutschen Grundgesetz bereits verankert. Jetzt muss nach Lösungen gesucht werden, wie man Ungleichheit konkret abbauen kann. Da hilft nur, den Gender-Blick einzuüben: Schulung, Beratung und Erfolgskontrolle tun not. Die EU macht es vor
Gender Mainstreaming – sogar die englische Queen soll gefragt haben, was, for heaven’s sake, das eigentlich bedeute. „Das Gender“ soll in „den Mainstream“, pflegen die Pionierinnen des „GM“ darauf zu antworten – das Geschlecht soll Analyse- und Handlungskategorie im Mainstream des politischen Denkens werden.
Zwar ist bekannt, dass Frauen viele Dinge ganz anders sehen als Männer und von politischen Maßnahmen anders betroffen sind, nur: Das hat bisher kaum jemanden interessiert. Beispiel Gesundheitspolitik: Frauen haben andere Herzinfarktsymptome als Männer. Solange Ärzte dies nicht im Mainstream ihrer Medizinerausbildung lernen, werden weiter mehr Frauen an unerkanntem Herzinfarkt sterben. Es gibt viele solcher Beispiele.
Die Bundesregierung hat am 23. Juni 1999 per Kabinettsbeschuss festgelegt, dass sie Gender Mainstreaming als Leitprinzip einführt. Am 26. Juli 1999 wurde GM in der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien“ gesetzlich verankert. Seitdem arbeiten alle Ministerien in GM-Modellprojekten und schulen ihre Mitarbeiter.
Gleichstellung ist im deutschen Grundgesetz als Arbeitsauftrag an die Regierung also verankert. Jetzt muss nach Lösungen gesucht werden, wie man Ungleichheit in und mit dem Projekt abbauen kann. Wenn öffentliche Aufträge an Baufirmen vergeben werden, in denen nun mal Männer arbeiten, lässt sich nicht mal eben Geschlechtergerechtigkeit herstellen. Dann könnte aber etwa die Frage sein, ob eine Baufirma sich auch um Frauen bemüht. (Ja, es gibt weibliche Bauarbeiter!) Das könnte als Pluspunkt im Wettbewerb um Aufträge ausgelegt werden.
Um solche Belange der Frauen soll sich in Zukunft nicht „die Frauenbeauftragte“ kümmern, sondern diejenigen, die mit dem jeweiligen Projekt beschäftigt sind. Das bedeutet, sie müssen alle den Gender-Blick einüben: Schulung, Beratung und Erfolgskontrolle tun not. In der neuen EU-Gleichbehandlungsrichtlinie, die bis 2003 in bundesdeutsches Recht übertragen werden muss, ist bereits angeordnet, dass jedes Land „Gender-Institute“ einrichten muss.
Die EU und einige skandinavische Länder haben schon Analyse-Instrumente und Handlungsleitfäden für GM entwickelt. Sie bewegen sich anhand folgender Fragen: Wen betrifft ein Projekt? Gibt es in diesem Bereich Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Haben sie dort unterschiedliche Rechte, unterschiedlichen Zugang zu Ressourcen? Sind sie unterschiedlich beteiligt? Gelten für sie unterschiedliche Werte und Normen? Dadurch stellt sich die Frage nach dem gleichstellungspolitischen Ziel bei dem jeweiligen Projekt.
Die EU ist nicht nur über diese Richtlinie ein treibender Faktor. Gender Mainstreaming wird hier schon länger betrieben. Das hat dazu geführt, dass etwa Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds nur an Projekte ausgezahlt werden, die Gender Mainstreaming betreiben. OES
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