piwik no script img

JUB-Präsident über Geld und Bildung„Wir befinden uns im Wettbewerb“

Antonio Loprieno ist neuer Präsident der privaten Jacobs University Bremen. Ein Gespräch über Exklusivität, Steuergeld und Zusammenarbeit.

Privat unterwegs und in Bremen oft vergessen: Studenten auf dem Gelände der Jacobs University Bremen Foto: dpa
Interview von Jan Zier

taz: Warum wollten Sie Chef der Jacobs University Bremen (JUB) werden, Herr Loprieno?

Antonio Loprieno: Ich wollte mich unter Druck setzen, etwas Neues zu lernen! Bisher habe ich eine Universität unter staatlicher Aufsicht geleitet. Nun will ich wissen, ob sich das auf ein privates Unternehmen wie dieses übertragen lässt.

Als Sie 2015 in Basel aufhörten, wollten Sie sich vermehrt der Forschung widmen.

Das meinte ich damals auch so! Aber ich habe mich auch weiterhin mit Fragen universitären Managements befasst. Wenn man lange als Rektor tätig gewesen ist, wird man zu einem anderen Menschen: Man liest die Welt nicht nur als Wissenschaftler.

In ihrem Antrittsstatement haben Sie gesagt, nach „einer Phase der Konsolidierung“ sei die JUB nun „gut aufgestellt“. Was bedeutet das konkret?

Die Konsolidierung war schmerzhaft, es mussten Stellen abgebaut werden. Es ist nicht in die DNA einer Universität eingeschrieben, zu schrumpfen: Sie ist da, um zu wachsen! Diese unnatürliche Entwicklung ist nötig gewesen, hat die JUB aber auf ein Minimum reduziert. Jetzt muss es bergauf gehen.

Die JUB hat für 2019 „ein positives Jahresergebnis“ versprochen. Klappt das?

Das kann ich noch nicht sagen, auch die Bilanz für 2018 liegt noch nicht vor. Das Budget einer privaten Universität ist viel komplexer als das einer staatlichen. Aber die Zahlen fallen mit Sicherheit so aus, dass wir ab 2020 wachsen können.

Bild: Jan Zier
Im Interview: Antonio Loprieno

64, ist Ägyptologe und war von 2005 bis 2015 Rektor der Universität Basel. 2018 wurde er Präsident des europäischen Dachverbandes der Akademien der Wissenschaften. Seit 1. Dezember 2019 ist er Präsident der Jacobs University in Bremen.

Ist eine Privat-Uni in Deutschland aus eigener Kraft finanzierbar?

Es gibt noch keine empirisch robuste Antwort auf diese Frage. Ich glaube aber, dass wir als JUB eine Verpflichtung eingegangen sind, dafür zu sorgen, dass sie positiv ausfällt. Es gibt keinen Zweifel, dass es in Deutschland möglich ist, eine Nischen-Universität unter privater Trägerschaft zu etablieren, eine Business School etwa. Aber gilt das auch für eine Mini-Volluniversität wie die JUB? Ich hoffe, dass uns das gelingt.

Wäre es nicht ehrlicher, zu sagen: Wir kommen nicht ohne staatliches Geld aus?

Nein! Die Antwort ist nicht einfach der Rückgriff auf staatliches Geld. Ich halte die rigide Trennung zwischen staatlicher und privater Trägerschaft bei Hochschulen aber für obsolet. Staatliche Universitäten sind immer stärker auf private Gelder angewiesen, und private Universitäten immer mehr auf die gesellschaftliche Einbettung, um ihre Legitimität zu beweisen. Wir bewegen uns in einer Richtung, in der die leicht ideologische Opposition beider Ansätze aufgehoben wird. Das, was eine Universität an die Gesellschaft zurückgibt, ist zigmal mehr, als das, was eingeflossen ist. Mein Ziel ist sicher nicht, nach staatlichem Geld zu schreien. Aber ich habe auch kein schlechtes Gewissen, eine staatliche Beteiligung an der JUB zu rechtfertigen. Die volkswirtschaftliche Investition in Universitäten wird sich immer rentieren.

Wenn das Geld der Foundation alle ist, müssen Sie dann zumachen?

Der Anteil dieses Geldes am Budget der JUB liegt im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Diese Universität ist also nicht in Trägerschaft der Jacobs Foundation. Aber wir müssen viel stärker in Fundraising investieren. Private Investoren für Universitäten zu finden, ist in Deutschland viel schwieriger als in Ländern, in denen es eine ausgeprägte Alumni-Kultur gibt.

Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag taucht die JUB nicht auf – ist das gut oder schlecht?

Ich habe den Eindruck, dass diese Universität in Bremen noch nicht wirklich wahrgenommen wird. Daran haben auch wir einen Anteil: Wir haben uns in den letzten Jahren nicht wirklich eingebracht und unsere Relevanz nicht klar gemacht. Es liegt also auch an uns! Ich möchte deshalb eine offene Debatte in Bremen führen. Die JUB wird heute oft noch vergessen. Wenn wir deshalb nicht erwähnt wurden, wäre das ein schlechtes Zeichen.

Die Wirtschaftssenatorin von der Linken und auch der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft haben zuletzt über eine Fusion mit der staatlichen Uni nachge dacht. Wie stehen Sie dazu?

Die Mission der Universität ist im Laufe der letzten Jahrzehnte eine andere geworden. Die klassische Vorstellung ist die einer Bildungsinstitution. Die moderne, ob uns das gefällt oder nicht, ist die einer Institution im Wettbewerb. Da muss man sich fragen, ob es zwei im Wettbewerb zueinander stehende Universitäten an einem Standort wie Bremen geben kann. Eine legitime Frage! Ich strebe eine intensive Zusammenarbeit mit der Uni Bremen an. Es wäre undenkbar, sich gegeneinander zu positionieren. Ob der One-Night-Stand gleich in eine Ehe mündet, muss man sehen.

Wo sehen Sie Synergien?

Ich will so weit wie möglich den Dialog mit der Uni Bremen in unser Programm mit einbeziehen. Die Uni Bremen und die JUB haben aber erst einmal wenig gemeinsam – die eine ist eher national, die andere international orientiert, die eine folgt eher klassisch dem Humboldtschen Modell, die andere verfolgt eher einen angelsächsischen Ansatz. Das finde ich gut! Wir müssen schauen, ob daraus in bestimmten Fachbereichen eine Form von Komplementarität entstehen kann, und sich beide Konzepte sinnvoll kombinieren lassen.

An einer Privatuni erwartet der Studierende für sein Geld eine gewisse Exklusivität, während sich an einer staatlichen Uni oft viele Studierende einen Professor teilen müssen.

Deswegen ist es wahrscheinlicher, dass sich eine Zusammenarbeit im Bereich der Forschung als in der Lehre ergeben wird.

An der staatlichen Uni fehlen Lehrgebäude, die hier schon vorhanden sind.

Die Frage nach Gebäuden hat für uns eine Brisanz und auch Relevanz, die größer ist als für eine staatliche Uni, wo sie in erster Linie ein Instrument sind. Hier hat das auch eine emotionale Dimension, weil die Leute auf dem Campus wohnen. Aber falls die Möglichkeit besteht, die Gebäude hier in doppelter Funktion zu nutzen: Ich wäre der Erste, der das begrüßen würde! Unser Campus ist heute absolut unterbenutzt. Man könnte sich hier schon eine bessere Verzahnung mit der urbanen Umgebung vorstellen. Jede Form der Öffnung des Campus ist mir absolut willkommen. In die DNA dieser Universität ist eine gewisse Exklusivität eingeschrieben. Aber die Entwicklung hat gezeigt, dass wir das relativieren müssen.

Die soziale Segregation der Studierenden ist aber noch viel größer als an den staatlichen Unis!

Das glaube ich nicht. Es gibt viele Stipendienprogramme und Ermäßigungen auf die Studiengebühren. Und man kann nicht behaupten, das man an einer staatlichen Uni kein Geld ausgibt.

Doch für Kinder aus Arbeiterfamilien ist die Hürde, sich hier zu bewerben, höher als an staatlichen Unis.

Das stimmt. Das liegt an unterschiedlichen Einstellungen zum Studium. In Mitteleuropa geht man im Grunde davon aus, dass ein Studium eine Art Grundrecht ist und Unis ohne Mäzenatentum auskommen. Man kann das Studium – wie im angelsächsischen Bereich – aber auch als Investition in die eigene Zukunft ansehen. Hierzulande gibt es eine kulturelle Opposition gegen die Idee, am Anfang der Ausbildung erst mal Schulden zu machen. In Indien oder Pakistan gibt es diese mentale Hürde nicht.

Ihr Modell setzt aber voraus, dass man mit dem Studium Karriere macht und viel Geld verdient.

Das ist wahr. Statistiken zeigen aber, dass man mit einem universitären Studium am Ende mehr verdient.

Wenn dieses Studium nun vom Staat mitfinanziert wird, müsste die Uni dann nicht auch transparenter und demokratischer organisiert werden?

Auch da nähern sich private und staatliche Universitäten einander an, auch dort ziehen Managementstrukturen ein. Aber mein Ziel ist schon die größere Einbettung des Lehrkörpers und der Studierenden. Die jetzige Struktur der JUB beinhaltet wenig Mitbestimmung. Dem muss man entgegenwirken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!