JOSCHKA FISCHER IST SICH SELBST SEIN ÄRGSTER FEIND: Der Untertan
Die Entscheidung unserer Verbündeten „haben wir nicht zu kritisieren“. Das findet Außenminister Joschka Fischer, und er meint offenbar, die deutsche Haltung zur Bombardierung von Bagdad damit hinreichend erläutert zu haben. Wir haben es nicht zu kritisieren: so spricht der Untertan. Niemand, der sich um die inhaltliche Bewertung eines Vorgangs bemüht, würde diese Formulierung wählen. Nur wer glaubt, Beschlüsse der Obrigkeit grundsätzlich nicht in Frage stellen zu dürfen, kann und muss den materiellen Gehalt ihrer jeweiligen Entscheidungen ignorieren.
Kein bundesdeutscher Außenminister vor Joschka Fischer hat Hierarchien vergleichbar demütig akzeptiert. Und ausgerechnet er wird jetzt von seiner revolutionären Vergangenheit eingeholt? Das ist folgerichtig. Die albernen Vorwürfe der Opposition alleine hätten ihm kaum etwas anhaben können. Sie gipfeln darin, dass seine Nachbarn einst staatsfeindlichen Logierbesuch beherbergt haben und er selbst früher größere Sympathien für die PLO hatte als heute. Diese Enthüllungen nimmt die deutsche Öffentlichkeit achselzuckend zur Kenntnis. Sie hat mit der Biografie von Joschka Fischer kein Problem. Aber er selbst hat offenbar eines damit, und deshalb ist er derzeit auch selbst sein ärgster Feind.
Der Außenminister will von seiner eigenen Vergangenheit nichts mehr wissen. Er mag tatsächlich vergessen haben, mit wem er vor 30 Jahren gefrühstückt hat. Darum geht es aber nicht. Es geht darum, dass Fischer viele seiner früheren Überzeugungen erkennbar nicht nur für falsch, sondern sogar für verwerflich hält. Wenn ein 52-jähriger ehemaliger Linker sich davor fürchtet, seine Teilnahme an einer PLO-Konferenz 1969 zuzugeben, dann ist das lediglich absurd. Gefährlich wird es, wenn dieser 52-Jährige zufällig Außenminister ist. Dann wird er erpressbar. Nicht wegen seiner Handlungen, sondern wegen seiner Einstellung dazu.
Bei Fischers Besuch in Washington ist der Eindruck entstanden, es sei von zentraler Bedeutung, ob sein Amtskollege Colin Powell ihm verziehen hat, ein Gegner des Vietnamkriegs gewesen zu sein. Nur zur Erinnerung: Es gab gute Gründe, gegen diesen Krieg zu sein. Beendet wurde er durch die Protestbewegung der Jugend in der westlichen Welt. Vor allem in den USA. BETTINA GAUS
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