Italienisches Politmagazin „Report“: Gemütlich investigativ

Das Politmagazin „Report“ gehört zu den unbequemen Sendungen im italienischen TV. Politiker scheuen auch vor Verleumdung nicht zurück.

Portrait im Fernsehstudio

Sigfrido Ranucci, TV-Journalist und Leiter der Sendung „Report“ Foto: IPA/imago

Auf der Sitzung des parlamentarischen Ausschusses, dem die Kontrolle über den italienischen Staatssender RAI obliegt, schlugen Anfang Februar die Wellen hoch. Andrea Ruggiero, Abgeordneter der Berlusconi-Partei Forza Italia, beschuldigte den prominenten TV-Journalisten und Leiter der Sendung „Report“, Sigfrido Ranucci, der Erpressung: Ranucci habe die Veröffentlichung kompromittierender Geheimdossiers angedroht.

Und mehr noch, Ranucci habe geprahlt, in seiner Redaktion würden 78.000 solcher Dossiers aufbewahrt. So haltlos der Vorwurf war, so deutlich wurde: Der Journalist hat sich mit seiner Sendung „Report“, die auf RAI 3 läuft, bei zahlreichen Politikern und Wirtschaftsbossen unbeliebt gemacht. Der 60-jährige Ranucci, der „Report“ auch moderiert, wirkt wie ein Ausbund an Gemütlichkeit. Doch wenn er den Mund aufmacht, ist es damit vorbei.

Vor fünf Jahren trat er die Nachfolge Milena Gabanellis an, die „Report“ im Jahr 1997 gegründet hatte, und ganz wie seine Vorgängerin setzt er auf investigativen Journalismus pur, ob es nun um undurchsichtige Geschäfte des vom italienischen Staat kontrollierten Petrochemie-Konzern ENI in Nigeria, um die vom Stahlunternehmen ILVA im süditalienischen Tarent angerichtete Umweltkatastrophe oder um bis heute nicht aufgeklärte Hintergründe des von Neofaschisten begangenen Bombenanschlags von Bologna am 2. August 1980 mit seinen 85 Toten geht.

Immer wieder geraten dabei auch Politiker ins Visier, etwa Attilio Fontana, Präsident der Region Lombardei. Der zur Lega gehörende Politiker war wie so viele Regierende in der Frühphase der Covidpandemie auf der verzweifelten Suche nach Schutzkleidung für das medizinische Personal – und wurde bei der Firma seines Schwagers fündig. Als die „Report“-Journalisten die Fährte aufgenommen hatten, widmete jener Schwager die Großlieferung geschwind in eine gratis erfolgte „Spende“ an die Region um, doch die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Renzi stellte Anzeige

Nicht gut auf „Report“ zu sprechen ist auch Matteo Renzi, Italiens Ministerpräsident in den Jahren 2014 bis 2016 und heute Vorsitzender der kleinen Partei Italia Viva. Renzi war im Mai 2021 in „Report“ zu sehen, auf einem Handy-Video, das ihn auf einer Autobahn-Raststätte nördlich Roms zeigt, während er mit einem der höchsten Geheimdienstfunktionäre Italiens parliert, 40 Minuten lang. Die Aufzeichnung stammte vom 23. Dezember 2020, und der Politiker schickte sich damals an, den damaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zu stürzen, unter anderem mit Vorwürfen zur Geheimdienstkoordination in der Regierung.

Nicht gut auf „Report“ zu sprechen ist auch Matteo Renzi, Italiens Ex-Ministerpräsident

Eben diesen Kontext rekonstruierte „Report“ – und stellte die Frage, ob solche Geheimtreffen von für die Dienste gar nicht zuständigen Politikern mit Schlapphüten eigentlich normal seien. Renzi empörte sich, er habe sich von dem Agenten bloß Weihnachtsgebäck mitbringen lassen – und stellte dann auch noch Anzeige gegen „Report“, weil die Sendung ihn ausspioniert habe.

Anonymes Schreiben

Wohl deshalb auch zog einige Monate später der zu Renzis Italia Viva gehörende Senator Davide Faraone im parlamentarischen RAI-Kontrollausschuss ein anonymes Schreiben aus der Tasche, in dem Ranucci beschuldigt wurde, er habe sich in der Redaktion sexueller Belästigungen schuldig gemacht.

Ihm ebenso wie dem Forza-Italia-Mann antwortete Ranucci daraufhin am Telefon, und er bestätigte ihnen in der Tat, dass in seiner Redaktion laufend anonyme Schreiben mit heftigen Anschuldigungen gegen Politiker eingingen. Die zwei Parlamentarier unterschlugen allerdings, was Ranucci dann hinzufügte. Er werfe solche Schreiben in den Papierkorb – anders als die beiden, die den Journalisten mit der Lancierung der Belästigungsvorwürfe zum Schweigen bringen wollten.

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