piwik no script img

Italienisches MigrationsprojektGericht kassiert erneut Melonis Albanien-Deal

Italiens Regierungschefin Meloni will Migranten in Albanien inhaftieren lassen. Erneut hat ein Gericht das Projekt nun gestoppt.

Migranten im Hafen von Shengjin, Albanien, am 12.11.2024 Foto: Vlasov Sulaj/AP/dpa

Berlin taz | Ein italienisches Gericht hat am Montag zum zweiten Mal in Folge die Überstellung Asylsuchender nach Albanien gestoppt. Die Richter verwiesen eine Klage von sieben Mi­gran­ten an den Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg. Die Männer aus Bangladesch und Ägypten waren von einem italienischen Militärschiff nach Albanien gebracht worden, nachdem sie zuvor im Mittelmeer gerettet worden waren. Bis zur Entscheidung – die rund 18 Monate auf sich warten lassen könnte – müssen die sieben Asylbewerber freigelassen und nach Italien zurückgebracht werden.

Bereits Mitte Oktober hatte Italien nach einer ähnlichen Gerichtsentscheidung 16 Migranten, ebenfalls aus Ägypten und Bangladesch, aus Albanien zurückbringen müssen. Hintergrund der Rechtsstreits ist die Frage, ob Ägypten und Bangladesch als „sichere Herkunftsländer“ gelten dürfen. Nach dem ersten Urteil hatte die Regierung unter Giorgia Meloni per Dekret 19 Länder als „sicher“ eingestuft. Verschiedene Gerichte ersuchten den Gerichtshof der EU um eine Stellungnahme. Sie halten es für womöglich rechtswidrig, dass die Regierung im Rom selbst die Einstufung vorgenommen hat.

Italien hatte im September angekündigt, zwei Internierungslager für etwa 3.000 Menschen in dem Westbalkanstaat zu errichten. Dorthin sollen Menschen gebracht werden, die von italienischen Schiffen auf dem Mittelmeer auf dem Weg Richtung Italien aufgegriffen werden. Vorgesehen ist, sie in Albanien ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen zu lassen. Im Fall einer Anerkennung sollen sie nach Italien ausreisen, ansonsten direkt aus Albanien abgeschoben werden.

Voraussetzung ist, dass die Menschen auf hoher See aufgegriffen werden, also italienisches Hoheitsgebiet noch nicht erreicht haben. Vulnerable Gruppen, etwa chronisch Kranke, sollen von dem Verfahren ausgenommen sein. Strittig ist, ob Menschen aus Herkunftsländern, die nicht als „sicher“ eingestuft sind, die Schnellverfahren in Albanien durchlaufen sollen.

Rund 134 Millionen Euro pro Jahr angesetzt

Der Albanien-Deal von Meloni ist das erste Modell von ausgelagerten EU-Asylverfahren in Drittstaaten dieser Art. In den ersten beiden Jahren nach dem Amtsantritt Melonis war die Zahl der Ankünfte über das zentrale Mittelmeer stark gestiegen. Seit Januar 2024 verzeichnete die Küstenwache 58.720 irreguläre Einreisen – ein Rückgang von etwa 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die größte Gruppe der Ankommenden waren Menschen aus Bangladesch, gefolgt von Syrien, Tunesien und Ägypten. 2,3 Prozent der Menschen starben in diesem Jahr auf der Route, insgesamt bisher 1.351.

Die Küstenwachen Tunesiens und Libyen stoppten bereits rund 40.000 Menschen auf dem Meer und brachten sie nach Nordafrika zurück. Rund 134 Millionen Euro hat die Regierung bis 2029 pro Jahr für das Albanien-Projekt angesetzt. Rund 30.000 Menschen sollten das Verfahren jedes Jahr durchlaufen. Bisher aber steht das Lager leer.

In Italien wurde heftige Kritik an der Justiz laut. Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini sagte: „Das ist ein weiteres politisches Urteil – nicht gegen die Regierung, sondern gegen die Italiener und ihre Sicherheit.“ Salvini könnte wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen in früheren Jahren nächsten Monat selbst zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Außenminister Antonio Tajani von der Partei Forza Italia sagte: „Das sind ein paar Richter, die der Regierung ihre politische Linie aufdrücken wollen.“ Meloni blieb nach der abermaligen Niederlage still. Ein Sprecher sagte lediglich: „Für uns hat sich nichts geändert. Wir machen weiter.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!