Italienische Regierungskrise: Letta kündigt Rücktritt an
Nur zehn Monate hielt Enrico Letta als Regierungschef durch, nun muss er Platz für seinen Parteichef Matteo Renzi machen. Neuwahlen sind unwahrscheinlich.
ROM dpa | Nach nur zehn Monaten im Amt tritt der italienische Regierungschef Enrico Letta zurück und macht den Weg für seinen parteiinternen Herausforderer Matteo Renzi frei. Dieser hatte ihn zuvor erneut unter Druck gesetzt und seinen Anspruch auf das Amt massiv untermauert.
Italien brauche dringend eine neue Regierung, einen radikalen Umschwung und eine tiefgreifende Veränderung, hatte der Chef von Lettas sozialdemokratischer Partei (PD) bei einem Treffen des Parteivorstandes am Donnerstag in Rom gefordert. Das Gremium stellte sich nach der anschließenden Debatte mit 136 Ja-Stimmen und nur 16 Nein-Stimmen hinter Renzi. Letta erklärte daraufhin seinen Rücktritt.
Der Regierungschef hatte diesen Schritt bis zum Nachmittag noch kategorisch abgelehnt. Letta nahm nicht an dem Treffen teil und verfolgte die Beratungen im Regierungspalast Chigi. Unmittelbar nach der Abstimmung kündigte er in einer Erklärung seinen Rücktritt an. Er werde diesen am Freitag bei Staatspräsident Giorgio Napolitano einreichen.
Das in anhaltender Rezession steckende Krisenland Italien bekommt damit seinen vierten Regierungschef in nur vier Jahren. Napolitano muss nun in Konsultationen versuchen, eine Lösung für die Krise zu finden. Er könnte Renzi in einer Staffelübergabe ohne vorherige Neuwahlen als neuen Ministerpräsidenten einsetzen.
Der 39 Jahre alte Bürgermeister von Florenz hatte in seiner Rede zuvor betont, es handle sich nicht um einen „Bruderkampf“, Italien könne nicht weiter in Unsicherheit und Instabilität leben. Er dankte der Regierung für die „bemerkenswerte Arbeit“ in den vergangenen Monaten. Aber jetzt stehe Italien am Scheideweg. Es sei dringend notwendig, eine neue Phase und eine neue Regierung auf den Weg zu bringen mit dem Ziel, das Land bis zum Jahr 2018 zu reformieren.
Renzis politischer Ehrgeiz
Der im Dezember mit großer Mehrheit zum PD-Chef gewählte Renzi verlangt raschere und tiefgehendere Reformen für das krisengeschüttelte Land. Ihm war wiederholt vorgeworfen worden, nur seinen eigenen politischen Ehrgeiz zu bedienen. Die italienische Linke ist zudem Rivalitäten und Zerreißproben gewohnt. Ihre früheren Regierungen von 1996 bis 1998 sowie von 2006 bis 2008 brachen jeweils wegen interner Auseinandersetzungen zusammen. Das machte den Weg frei für eine Rückkehr des konservativen Regierungschefs Silvio Berlusconi.
Der als Macher bekannte Aufsteiger Renzi riskiert mit seinem frontalen Angriff auf Letta eine Spaltung seiner Partei und auch den Vorwurf, sich illoyal dem Parteifreund gegenüber verhalten zu haben. Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Italiener gegen eine einfache Übertragung der Macht von Letta an Renzi ohne vorherige Neuwahlen.
Auch Renzi sprach sich für diesen Weg aus. „Der Weg zu Wahlen hat seinen Reiz und seinen Charme“, sagte er. Doch ohne ein noch nicht endgültig verändertes Wahlgesetz bestünde die Gefahr, dass es keine klaren Mehrheiten gibt. Napolitano hatte Neuwahlen ebenfalls als „Quatsch“ abgetan und erst eine dringende Wahlrechtsreform verlangt. Ohne sie könnte die Wahl wie vor einem Jahr zu einem lähmenden Patt im Parlament führen.
Vor der Präsidiumssitzung am Abend waren letzte Vermittlungsversuche gescheitert. So lehnte Letta es Medienberichten zufolge auch ab, Wirtschaftsminister in einem Kabinett Renzi zu werden. Er hatte am Mittwochabend verlangt, Renzi solle offen und klar sagen, was er wolle. Niemand trete aufgrund von „Palastmanövern“ oder Gerede zurück.
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