Italien strikt gegen Seenotrettung: Die „Sea Watch 4“ sitzt fest
Italien untersagt dem Rettungsschiff „Sea Watch 4“ das Auslaufen wegen Sicherheitsmängel. Dieses Vorgehen hat Methode und verfolgt ein Ziel.
![Das Rettungsschiff Sea-Watch 4 steht im Hafen von Palermo f Das Rettungsschiff Sea-Watch 4 steht im Hafen von Palermo f](https://taz.de/picture/4388144/14/25931372-2.jpeg)
Am Freitag erhielt das Schiff den Befehl, in den sizilianischen Hafen einzulaufen, am Sonntag folgte dann die Entscheidung, die die Crew befürchtet hatte – die „Sea Watch 4“ liegt vorerst an der Kette. Das ehemalige Forschungsschiff sei nicht für Rettungsaktionen zugelassen, argumentieren die italienischen Behörden. Es habe „zu viele“ Rettungswesten an Bord, auf der anderen Seite sei das Abwassersystem zu schwach ausgelegt.
Italiens Bedenken zur Sicherheit an Bord waren weit geringer, als das Schiff Ende August mit 353 Geretteten tagelang auf die Zuweisung eines Hafens warten musste. Schließlich hatte die Regierung in Rom am 2. September gestattet, dass die Menschen in Palermo von Bord gehen – stolze elf Tag nach der Rettung der ersten Flüchtlinge. Elf Tage, in denen sich im italienischen Staatsapparat niemand so recht Sorgen machen wollte über die „Sicherheit“ der Menschen auf dem völlig überfüllten Schiff.
Die Geflüchteten wurden seinerzeit auf das im Hafen von Palermo ankernde Quarantäneschiff „Allegra“ („Die Fröhliche“) gebracht, während die 27-köpfige Besatzung angewiesen wurde, eine 14-tägige Quarantäne an Bord der „Sea Watch 4“ einzuhalten. Nun folgte die Inspektion.
![Ein Mitglied der Sea-Watch-Crew formt mit den Händen ein Herz, im Hintergrund verlassen afrikanische Migrant:innen das Schiff Sea Watch 4 Ein Mitglied der Sea-Watch-Crew formt mit den Händen ein Herz, im Hintergrund verlassen afrikanische Migrant:innen das Schiff Sea Watch 4](https://taz.de/picture/4388144/14/25817333-1.jpeg)
Der Weg administrativer Schikanen
Italien verfolgt damit, so kristallisierte es sich in den letzten Monaten heraus, ein festes Muster, das sich nur punktuell von der Politik des Lega-Chefs Matteo Salvini („geschlossene Häfen!“) in seiner Zeit als Innenminister bis zum August 2019 unterscheidet.
Erstens wird den NGO-Schiffen tage-, ja manchmal wochenlang das Einlaufen verweigert, weil sowohl Italien als auch Malta ihnen keinen „sicheren Hafen“ zuweisen wollen. Und zweitens werden die Rettungsschiffe an die Kette gelegt, nachdem ihnen dann doch das Anlanden der Migrant*innen gewährt worden ist.
Gleich fünfmal in den letzten fünf Monaten schritt der italienische Staat aufgrund von „Sicherheitsmängeln“ zur Blockade von Schiffen. Hier liegt der Unterschied zu Salvini: Der versuchte die Crews, wie im Fall der deutschen Kapitänin Carola Rackete, direkt zu kriminalisieren.
Die von der Anti-Establishment-Bewegung der Fünf Sterne und der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) getragene Regierung geht den Weg administrativer Schikanen. Der zweite Unterschied besteht darin, dass Salvini die geretteten Flüchtlinge unter großem Mediengetöse auf offener See blockierte, während die gegenwärtige Regierung dies alles still und leise macht.
Kein sicherer Hafen
Für die verzweifelten Menschen an Bord der Rettungsschiffe ist dieser Unterschied allerdings keiner. So erhielt das spanische NGO-Schiff „Open Arms“ am letzten Freitag endlich nach zehn Tagen die Erlaubnis, mit 150 aus Seenot Geretteten in den Hafen von Palermo einzulaufen, allerdings wohl auch nur, weil an den beiden Vortagen insgesamt schon 124 Menschen über Bord gesprungen waren, um schwimmend das eineinhalb Kilometer entfernte Palermo zu erreichen.
Am Sonntag meldete die „Alan Kurdi“, das Schiff der deutschen NGO Sea Eye, wiederum die Rettung von 133 Menschen in drei Aktionen. Auch die „Alan Kurdi“ war zuvor vier Monate lang von den italienischen Behörden festgesetzt worden, und auch sie erhielt keine Antwort auf die Bitte um Zuweisung eines sicheren Hafens.
Dass Italien wirklich alle Anstrengungen unternimmt, um die private Seenotrettung im Mittelmeer zu unterbinden, zeigt schließlich auch die Tatsache, dass die Behörde für die Zivilluftfahrt, Enac, am 8. September dem von Sea Watch eingesetzten Flugzeug Moonbird weitere Starts von Lampedusa für Aufklärungsflüge über der Straße von Sizilien untersagte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden