Israels Regierung mit PR-Offensive: Studenten als Lautsprecher
In sozialen Netzwerken will Israel jung und frisch erscheinen. Dafür sorgen sollen Studenten, die böse Kommentare bekämpfen. Belohnung: ein Stipendium.
JERUSALEM ap | Die israelische Regierung will Studenten für Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Netzwerken gewinnen. Dabei soll ihnen freigestellt werden, ob sie sich dazu bekennen, im staatlichen Auftrag zu handeln, heißt es aus dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Die Studenten sollen mit Teil- oder Vollstipendien dafür belohnt werden, dass sie antisemitische oder antiisraelische Äußerungen im Internet in Kommentaren bekämpfen. Dabei sollten sich die Äußerungen der staatlich verpflichteten Studenten entlang der offiziellen Regierungsverlautbarungen bewegen.
Das bahnbrechende Projekt habe „zum Ziel, die israelische Diplomatie zu stärken und sie auf die Veränderungen des Informationskonsums einzustellen“. Weniger verklausuliert gesagt: Israel will in den sozialen Netzwerken jung und frisch erscheinen.
Das Programm soll in wenigen Monaten auf den Weg gebracht werden. Aus Kreisen der Regierung verlautete, dass umgerechnet 583.000 Euro für die Medienoffensive eingeplant sind. „Jeder, der daran glaubt und mitmachen will, kann sich bewerben“, sagt einer der Köpfe hinter dem Programm, der ungenannt bleiben will.
Antisemitische Posts
Das Projekt ist aber nicht unumstritten – vor allem, seit die Tageszeitung Haaretz den ranghohen Regierungsbeamten Danny Seaman als Chef des Programms enthüllt hat. Der ehemalige Leiter des Presseamtes der Regierung sei zuletzt jedoch auf seiner eigenen Facebookseite durch antiislamische Posts aufgefallen, meldete das Blatt.
Unter anderem hatte Seaman demnach geschrieben: „Heißt Fasten im Ramadan, dass die Muslime sich tagsüber nicht mehr gegenseitig auffressen?“ Außerdem habe er sich vulgär und abfällig über den palästinensischen Chefunterhändler der aktuellen Friedensgespräche, Saeb Erekat, geäußert. Die beanstandeten Texte sind mittlerweile von seinem Facebook-Profil gelöscht.
Der Informant aus der Planungsgruppe will nicht bestätigen, dass Seaman zum Chef der studentischen Online-Kampagne ernannt werden soll. Er distanzierte sich immerhin von Seamans Äußerungen und nannte sie „inakzeptabel“. Sie würden sich nicht mit der Position der israelischen Regierung decken.
Priorität Außenwirkung
Für die israelische Regierung ist die Außenwirkung eine der wichtigsten Prioritäten. Dem Büro des Ministerpräsidenten direkt unterstellt ist die Abteilung für „Hasbara“, die sich um die Vermarktung israelischer Regierungspolitik kümmert. Das hebräische Wort bedeutet etwa so viel wie „Erläuterung“, offiziell wird es als „öffentliche Diplomatie“ übersetzt. Kritiker nennen es schlicht Propaganda. Vor allem Äußerungen, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, werden von der Abteilung bekämpft.
Auch die israelischen Streitkräfte haben die sozialen Netzwerke für sich entdeckt. Eine Einheit aus ein paar Dutzend Soldaten bildet die Brigade für „interaktive Medien“, um der Netzgemeinde das Handeln der Armee zu erklären. Während der Offensive im Gazastreifen im Herbst vergangenen Jahres hatten die Streitkräfte zudem für Hunderte junge Leute einen „Medienbunker“ eingerichtet, in dem sie durch Posts den israelischen Standpunkt in dem Konflikt erklären sollten.
Damals lobte Netanjahu die freiwilligen Helfer der Medienoffensive in einer Videokonferenz: Es gebe „vier Fronten: Die militärische, die Heimatfront, die diplomatische und die der öffentlichen Diplomatie“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr